Digital Dilemma

28. Dezember 2007

Zum Jahresende denkt man zurück und man schaut in die Zukunft. Und die sieht nicht sehr rosig aus für digital produzierte oder digital archivierte Filme. Der AMPAS Science and Technology Council hat eine Untersuchung über die Langzeitarchivierung digitaler Filme abgeschlossen. Der 74-Seiten-Report „The Digital Dilemma: Strategic Issues in Archiving and Accessing Digital Motion Picture Materials“ plädiert für eine Archivierung auf Film und bezweifelt die Zweckmäßigkeit, Filme als digitale files zu archivieren, ganz gleich, ob das Ausgangsmaterial auf Zelluloid oder in digitaler Form vorliegt.

Der Report ist z.Zt. nicht frei zugänglich, Artikel im Hollywood Reporter – „AMPAS: Archive before it’s too late“ – und in der New York Times – „The Afterlife is Expensive for Digital Movies“ – nennen aber Details zum digitalen Dilemma. Die Veröffentlichung des Reports wird in der Liste AMIA-L bekannt gegeben (offizielle Seite).

Ohne Langzeitarchivierung gibt es keine Filmgeschichte und dem DVD-Markt geht zukünftig die materielle Grundlage verloren.

Nachtrag vom 1.8.2008: Der Report ist nun frei erhältlich und kann nach einer Registrierung kostenlos von der Website des Science and Technology Council heruntergeladen werden.


Antonio Gaudi von Hiroshi Teshigahara

22. Dezember 2007

Einer der fulminantesten Architekturfilme erscheint demnächst in einer Neuausgabe auf DVD. Criterion bringt Hiroshi Teshigaharas Film über Antonio Gaudí in einer restaurierten und mit zahlreichen Zusatzmaterialien versehenen Fassung heraus.

Der Film ist ein visuelles Poem, das nahezu ohne Sprache auskommt:

„Hiroshi Teshigahara’s Antonio Gaudi is a spare, astonishing, and haunting documentary on the designs of famed turn of the century Spanish architect, Antonio Gaudi (1852-1926)… Teshigahara immerses the viewer into Gaudi’s unorthodox vision using lingering takes and mesmerizing panning sequences, accompanied by an equally eclectic soundtrack [u.a. von Toru Takemitsu] that vacillates from lyrical symphony to disquieting near silence. The film, largely structured without verbal narrative, unfolds as a figurative mosaic of Gaudi’s early influences and nascent vision in the mid 1800’s – from an overview of the Catalonian culture, to the contemporary works of other prominent architects, to the medieval art and architecture pervasive in the region.“ (Strictly Filmschool) – weitere Rezensionen siehe 1 ; 2 .

Bei seinem ersten Besuch 1959 in Barcelona war Teshigahara von Gaudis Architektur überwältigt:

„Shortly after entering Barcelona, four grotesque steeples appeared before me. Their peaks seemed to domineer over the city shining with gold. I was struck with a sense of conviction. As I approached, the holes pierced in those four tense conical structures, just like a tremendously appealing demonic whisper, clutched me with force. What I was looking at was Gaudi’s last masterpiece Sagrada Familia.“ (Zitat in Senses of Cinema)

1984 konnte er dann endlich den geplanten Film über Gaudí drehen. Der Kurzfilm von seinem ersten Besuch „Gaudí, Catalunya 1959“ wird ebenso auf der DVD enthalten sein, wie ein kurzer Filmessay von Ken Russell aus dem Jahr 1961.


Pierre Perrault 2

20. Dezember 2007

Es ist immer wieder erstaunlich, was der DVD-Markt hervorbringt. In der Collection Mémoire veröffentlicht das National Film Board of Canada das Gesamtwerk von Pierre Perrault auf DVD. Bereits erschienen ist als erster Band die Trilogie Île-aux-Coudres , auf die wir hier schon anlässlich der Veröffentlichung einer anderen Ausgabe in Frankreich hingewiesen hatten:

„Now, the NFB offers the digital (and enriched) re-issue of the first box set: The Île-aux-Coudres triology. Over the coming months, the entire works will be available on DVD. All the DVD box sets will offer the French version of the films, but for the first time, there will also be French and English subtitles and closed captioning for the hard of hearing.“ (NFB)

In einigen Monaten werden insgesamt 15 Filme in 5 Boxen mit den Reihen„La trilogie de l’Île-aux-Coudres“, „Le fleuve“, „L’homme et la nature“, „Le cycle abitibien“ und „La quête d’identité collective“ vorliegen, die bisher nur als VHS-Kassetten ohne Untertitel lieferbar waren. Die bereits erschienen Boxen sind u.a. bei Archambault in Kanada bestellbar (siehe livraison internationale).


Michel Brault

20. Dezember 2007

Ein Nachtrag aus dem letzten Jahr: Das National Film Board of Canada hat in der Reihe Collection Mémoire die Box „Michel Brault Oeuvres 1958-1974 Works“, eine Werkschau mit 13 Filmen von Michel Brault auf 5 DVD herausgebracht (mit englischen Untertiteln, lieferbar u.a. in Frankreich). Michel Brault war einer der Wegbereiter des Cinéma Vérité. Seine Bedeutung für die Entwicklung der Filmtechnik und der Kameraarbeit des Cinéma Vérité ist kaum zu überschätzen. Er gehört zu den wichtigen und innovativen Kameramännern der Filmgeschichte. Jean Rouch, der eng mit ihm zusammengearbeitet hat, sagte über ihn:

“ Man muss sagen, alles, was wir in Frankreich auf dem Gebiet des Cinéma Vérité gemacht haben, kommt vom O.N.F. [National Film Board of Canada]. Es war Brault, der eine neue Technik zu Drehen mitgebracht hat, die wir nicht kannten und die wir alle seitdem kopiert haben.“ (Jean Rouch in „Cahiers du Cinéma“, no. 144)


Silberlinge 2007

18. Dezember 2007

Im neuen Film-Dienst sind die Silberlinge für die zweite Jahreshälfte 2007 bekannt gegeben worden:

„Diese DVDs erhalten das Qualitätssiegel, weil sie den jeweiligen Kinofilm in einer außergewöhnlichen Fassung präsentieren und/oder durch überdurchschnittliches Sekundärmaterial bereichern.“ (Film-Dienst)

Die Auswahl zeigt wieder einmal, was die DVD für die Filmkultur leistet, und dass kein anders Medium, sei es nun das Kino, das Fernsehen, das Web, die Filmliteratur oder das Filmfestival, sie ersetzen kann.

In der DVD-Sektion von Heft 26/2007 wird auch auf die Geschichte der Firma Icestorm eingegangen – „Visafrei bis Hawaii – Icestorm Entertainment feiert zehnjähriges Bestehen“ von Ralf Schenk – sehr informativ, aber es fehlt ein kritischer Hinweis auf die manchmal schlecht gemasterten DVDs – zuletzt gesehen „Moskau glaubt den Tränen nicht“. Schaut sich Ralf Schank eigentlich selbst die DVDs an, an denen er mit eigenen Beiträgen mitgearbeitet hat?


Marketa Lazarová

18. Dezember 2007

Zum Erscheinen dieses Meisterwerks auf DVD soll hier nur das beste Blog zum osteuropäischen Film zitiert werden:

„First, the superlatives. While I’m not competent to judge whether Marketa Lazarová really is the greatest Czech film ever made (as asserted by a poll of 100 Czech film critics in 1998), after three viewings I’m certainly confident enough to rank it alongside Bergman’s Virgin Spring (Jungfrukällan, 1960), Paradjanov’s Shadows of our Forgotten Ancestors (Тени забытых предков, 1964) and Welles’s Chimes at Midnight (1966), its only serious rivals when it comes to uncannily convincing, unforgettably cinematic renditions of the medieval era.

Its action scenes recall Kurosawa at his most exuberant, its sweeping deep-focus widescreen images have more than a hint of Tarkovsky’s Andrei Rublev (Андрей Рублев), and Zdeněk Liška’s extraordinary score rivals anything in Ennio Morricone’s mid-1960s catalogue for its use of unexpected yet strangely appropriate vocal, percussive and electronic effects. Since none of the actors has any significant reputation outside their native countries (for all lead actress Magda Vašáryová’s current stature as a prominent Slovak politician and sometime Presidential candidate), they seem utterly authentic, as though František Vláčil simply dropped his camera into the middle of 13th-century Bohemia and just filmed what he saw.“ (Kinoblog)

Kinoblog hat auch Informationen zum Regisseur dieses Klassikers des historischen Films, František Vláčil: an introduction.


Khadak

15. Dezember 2007

Koch International hat in den USA den belgischen Film „Khadak“ von Peter Brosens und Jessica Hope Woodworth für März 2008 auf DVD angekündigt. In Belgien ist dieser poetische Film bereits im November 2007 auf DVD erschienen (beide Fassungen Mongolisch mit englischen Untertiteln).

„Entrancing looking and lushly scored magical-realist fable „Khadak“ tracks a young nomad as he discovers his destiny as a shaman in vaguely contempo Mongolia. First feature collaboration between Belgian Peter Brosens (maker of the „Mongolia Trilogy“ docus) and American Jessica Woodworth (helmer of „The Virgin Diaries“) beads together complex ideas and gorgeously wrought segments like pearls on a string, but, with its emblematic characters and sometimes baffling, mystical storyline, pic ultimately remains emotionally distant.“ (Variety)

Der Film kommt im April 2008 auch in Deutschland ins Kino und wird danach sicherlich in der deutsch untertitelten Fassung auf DVD erscheinen (Informationsmaterial hier)


Margaret Garner

15. Dezember 2007

Der Tunesier Mustapha Hasnaoui hat einen Film über die Oper „Margaret Garner“ und die Hintergründe der Geschichte gemacht. Die Oper von Richard Danielpour wurde von der Michigan Opera Theatre, der Cincinnati Opera and der Opera Company of Philadelphia in Auftrag gegegeben und 2005 in Detroit uraufgeführt (Broschüre pdf).

Das Libretto schrieb Toni Morrison nach ihrem Roman „Beloved“ über die Sklavin Margaret Garner, die vor der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs ihre beiden Kinder umbringt, um sie vor der Rückkehr in die Sklaverei zu bewahren. Die Titelrolle der Margaret Garner singt Denyce Graves, die im Mittelpunkt des Films steht:

„This film follows the singer who portrays Margaret, Denyce Graves, and explores the problem of race relations in the United States through this production and the story of its main character. Centered on the production log of a “black” opera and the problems inherent in the project, the film looks back at a tragic episode of American history and juxtaposes it with the experiences of its main singers.“ (FIPA)

Der Film lief auf verschiedenen Festivals, u.a. auf dem International Festival of Films on Art in Quebec und erscheint im Februar 2008 bei Facets auf DVD.


Alle guten Landsleute

15. Dezember 2007

Facets in Chicago hat „Vsichni dobrí rodáci“ (All My Good CountrymenAlle guten Landsleute, 1968) von Vojtech Jasny angekündigt. Vor einer Woche ist er auch in Tschechien auf DVD erschienen, allerdings ohne englische Untertitel. Die Videokassette war schon ab 1997 in der Reihe „Barrandov Biografia“ lieferbar. Nun wird dieser wenig bekannte, aber bedeutende Film ab Februar 2008 zum ersten Mal mit englischen Untertiteln auf DVD lieferbar sein.

„Vsichni dobrí rodáci“ hat eine besondere Geschichte: Kurz vor der Invasion der Warschauer-Pakt-Staaten fertiggestellt, konnte er nicht mehr aufgeführt werden und wurde dann sofort verboten:

„Eine Dorfchronik über die Kollektivierung mährischer Bauernhöfe unter dem kommunistischen Regime nach 1948: Der Widerstand gegen eine von der Parteidoktrin gelenkte Genossenschaft wird mit brutalen Mitteln gebrochen. Ein bemerkenswerter Film, der realistische Momentaufnahmen in reizvoller Weise in seinen poetischen Stil einarbeitet.“ (Lexikon des internationalen Films)

„… the film won the Special Jury Prize of the Cannes Film Festival, and stylistically is a work of great lyricism, humor and originality. It weaves magical–and very funny–stories about a group of characters in a small Moravian village, immediately following the socialization of Czechoslovakia in 1948. „The film and the milieu it so precisely evokes are not so much nostalgic as they are powerfully remembered and irrevocably lost….All My Good Countrymen reflects the curdled fury of a former true believer“ (Facets)

Unmittelbar danach hat Vojtech Jasny seine Heimat verlassen und im Westen weitergearbeitet.


Le Mystère de la Tour Eiffel

13. Dezember 2007

Nederlands Filmmuseum hat den Stummfilm „Le Mystère de la Tour Eiffel“ (1927) von Julien Duvivier auf DVD veröffentlicht. Der spektakuläre Abenteuerfilm mit einer wilden Verfolgungsjagd über den Eiffelturm lief in dieser Fassung 2006 auch auf den Filmfestspielen in Cannes in der Reihe „Cannes Classics“. Zu seinem 60jährigen Jubiläum hat das Filmmuseum die einzige erhaltene Kopie restauriert und mit einer Komposition von Fay Lovsky versehen. Die Sängerin und Komponistin ist extra nach Paris gereist, um authentische Töne für ihre Komposition aufzunehmen:

„Geluiden helpen je om filmbeelden beter te begrijpen, maar ze hoeven niet precies te kloppen met wat je ziet. Het gaat om de suggestie die je kunt wekken met kleine dingetjes: de akoestiek van een ruimte, het blaffen van een hond in de verte, een dreigend muziekje.“ (Fay Lovsky, Startpagina Weblog)

Die Vorstellungen mit diesem rasanten Stummfilm und der mitreißenden Musik (Banjo, Akkordeon, singende Säge und Theremin) sind immer ausverkauft. Zur Bestellung der DVD bitte auf das Bild klicken.