Metropolis auf DVD und Blu ray

22. Februar 2010

Es ist sicherlich bemerkenswert, dass der eigentliche Höhepunkt der Berlinale ein alter Film aus den Zwanziger Jahren war.  Und wie kaum ein zweiter passte er perfekt in diese Stadt, in der er vor 83 Jahren uraufgeführt worden war, eine Stadt, die damals allerdings noch ganz anders aussah, also bevor die Bomben fielen.

Die restaurierte Ur-Fassung von „Metropolis“ ist erlebbare, nachfühlbare deutsche Mentalitätsgeschichte. Sie drückt authentisch die Gefühlswelt eines Landes aus zwischen dem Untergang eines hochindustrialisierten Ständestaats, dem Kaiserreich – „die Goldene Zeit“, wie meine Großmutter sie immer nannte – und der heraufziehenden totalitären Volksgemeinschaft eines modernisierten Dritten Reichs. Das Herz, so stellte sich bald heraus, sollte Hitler heißen und auch die Unterstadt wurde Wirklichkeit. Albert Speer schuf nicht nur “herrliche” Bauten wie in den “Ewigen Gärten” von „Metropolis“ , sondern auch Dora Mittelbau. Was einem während des Films durch den Kopf ging, hat Christina Tillmann im Tagesspiegel ganz gut zusammengefasst (Monster der Moderne. In: Tagesspiegel vom 13.02.2010).

Das neu aufgefundene Material konnte nur unter großen Schwierigkeiten in einen passablen Zustand versetzt werden (siehe dazu Heise online) . Die Firma Alpha Omega in München musste dafür eine spezielle Software entwickeln. Für den Hauptteil des Filmmaterials hat man auf die Restaurierung von 2001 zurückgegriffen  (siehe dazu die Infos bei Alpha Omega: Metropolis 2K).

Nachtrag vom 5.3.2010: Die Firma Scientific Media, die für graphische Arbeiten bei der Restaurierung verantwortlich war (Stabilisierung/DeWarping, Inserts DE/EN, Grain Management), hat einige Beispiele ihrer Arbeit ins Netz gestellt (Showroom).

Inzwischen laufen die Vorbereitungen für die DVD- und Blu ray-Ausgaben in Deutschland und den USA auf Hochtouren.

  • Die deutsche  DVD-Ausgabe soll im November 2010 erscheinen.  Dafür wird im Juni die Musik in einer Studioproduktion eingespielt werden,  wieder unter Leitung von Frank Strobel.  Er hat auch die Blu ray-Ausgabe bestätigt (siehe „Soundtrack: Mission Metropolis“. Interview mit Frank Strobel im Rheinischen Merkur). Was dieses Format mit seiner Auflösung für das orthochromatische Filmmaterial der Stummfilmzeit leisten kann, wird alle in Erstaunen versetzen – zumal, wie man hört, durch den hohen Zeitdruck zur Berlinale als provisorische Fassung nur eine DigiBeta vorgeführt werden konnte. Die Gradation der endgültigen Kopie wird nach einer sorgfältigen Ausbelichtung noch besser sein (Nachtrag vom 1.3.2010).  Als Extra wird sicherlich der Film von Artem Demenok „Die Reise nach Metropolis“ enthalten sein.
  • In Großbritannien werden DVD und Blu ray bei Eureka in der Reihe Masters of Cinema erscheinen: „MoC METROPOLIS BD will be released before Xmas. We’re coordinating with the other major licencees (Kino, MK2) etc for a simultaneous release — and it’s looking like sometime in October or November. At this stage, our BD will be Region B.“ (peerpee im criterionforum, 17.2.2010)
  • In Frankreich erscheint „Metropolis“ bei MK2 (alte DVD).

Die Ausgaben in den verschiedenen Ländern werden sich sicherlich durch ihre Extras unterscheiden.  So wird sich eine Fülle von Sichtweisen auf diesen Film ergeben – wenn nicht überall nur das Masterband von Transit übernommen und lediglich mit Untertiteln versehen wird.


Futurezone : Kino und Internet

20. Februar 2010

Auf der Online-Seite futurezone des ORF setzt sich Ekkehard Knörer mit der allseitigen Verfügbarkeit des  Films durch Digitalisierung und Internet auseinander. Konfiguration Kino entfaltet das Thema in (bisher) 4 Aufsätzen: Das Internet als Kino der Zukunft, Netzkino: Von den Piraten lernen, Filter für die Bilderflut und Das Kinoerlebnis als Kopierschutz:

“ Die Cinephilie gehört irreduzibel zu dieser Konfiguration, sie verbindet als einziger Diskurs die sonst oft getrennten Sphären von Bildindustrie, Normalrezeption, Feuilleton und Akademie. Deshalb ist es von weit mehr als nur nebensächlicher Bedeutung, dass die Institutionen der Cinephilie – nämlich: die kuratorisch betriebenen Kinos, die einschlägigen Zeitschriften und Verlagsreihen, auch die Festivals – mit den Umbrüchen konfrontiert sind, die die Digitalisierung und das Internet brachten und bringen. Die längerfristigen Folgen sind noch kaum absehbar, aber wichtige Konfrontationslinien und neue Praktiken und erste Versuche der Reflexion zeichnen sich ab.In der Folge soll es genau darum gehen: Wie die Digitalisierung nicht nur gegenwärtige Diskurse und Praktiken des „Kinos“, sondern auch dessen Geschichte (genauer: den Blick darauf) verändert. An vielen Beispielen werde ich mich in den nächsten Wochen mit dem Wandel von Rezeptionsgewohnheiten, filmischem Material, erzählerischen Verfahren und mit der Bedeutung von Verfügbarkeit, Kopierbarkeit und der gewaltigen Ausdifferenzierung von Bewegtbildformen befassen.“ (Ekkehard Knörer in „Konfiguration Kino:  Das Internet als Kino der Zukunft“)

Bevor wir uns genauer mit diesen spannenden Thesen beschäftigen können, hier einige Anmerkungen:

  1. Wer hat am meisten für die Filmkultur in einem Land getan? Reed Hastings, der Gründer von Netflix. 100.000 Filmtitel sind auch im kleinsten Ort der USA zugänglich, recherchierbar über eine erstklassige Datenbank.
  2. Der Aufstieg der DVD als Universalmedium für die weltweite Verbreitung von Filmen ab 1998 ist eng mit der gleichzeitigen Entwicklung des World Wide Web ab 1994 verknüpft: Das Web als Vertriebs- und Verständigungsmedium. Erst dadurch konnte eine neue Form der Filmkultur entstehen – siehe Manhola Dargis: The Way We Live Now: The 21st-Century Cinephile.
  3. Onlinefilm erweitert den Radius noch einmal. Das muss nicht illegal und von schäbiger Qualität sein. Jüngstes Beispiel für ein sich immer breiter entwickelndes Angebot ist die African Film Library aus Afrika. Der südafrikanische Satelliten-TV-Konzern M-Net, ein afrikanischer Mediengigant, hat mit großen Summen die Lizenzen von über 600 afrikanischen Filmen zusammengekauft (sie wurden bisher weitgehend von Europäern gehalten!), um das afrikanische Filmerbe zu bewahren und es weltweit zugänglich zu machen. Eine Beta-Site soll diese Filme bald in HD-Qualität gegen Gebühr zugänglich machen.
  4. Filme sehen: Wichtig ist der Unterschied zwischen einem selbstleuchtenden und einem reflektierenden Display. Filme auf großer Leinwand zu sehen, ist nicht an ein Kino gebunden. Man kann es auch privat tun, gemeinsam mit Freunden, wie in einem Salon. Das geht auch öffentlich – siehe 5.
  5. Das (cinephile) Kino als kultureller Ort wird aufblühen, wenn es sich die neuen Möglichkeiten zunutze macht – siehe auch hier. Dazu ein Zitat von Dieter Kosslick:

    „Zum Beispiel haben wir hier am Potsdamer Platz den unglaublichen Luxus, neben den vielen Kinos zwei ausgewiesene Filmkunst-Institutionen zu besitzen: das Film- und Fernsehmuseum und das Arsenal. Mit beiden arbeitet die „Berlinale“ eng zusammen, wir veranstalten jährlich eine gemeinsame Retrospektive mit dem Filmmuseum, und das „Forum des jungen Films“ spielt im Arsenal. Was spricht eigentlich dagegen, unsere Häuser konzeptionell vielleicht noch enger zu vernetzen, eine Art audiovisuelles Humboldt-Forum zu errichten, mit Café, Bibliothek, Kinos und integriertem Gesamtkonzept? Mit einer freien, unabhängigen, „wilden“ Programmierung aus Historie und Gegenwart, die dazu führen könnte, dass sich die Leute, ohne erst das Programmheft studieren zu müssen, vollkommen auf uns verlassen können… Da schließt sich der Bogen zu dem, was ich am Beginn unseres Gesprächs gesagt habe: Wir treffen eine besondere Auswahl für ein offenes, interessiertes, das Kino liebendes Publikum. Ich weiß, dass auch andernorts über so etwas nachgedacht wird, in Sydney, Toronto oder Pusan. Warum also nicht in Berlin? Wenn man zehn Tage lang einen Boulevard der Stars macht, im Februar vor dem „Berlinale“-Palast, warum dann nicht auch das ganze Jahr über einen Boulevard der Filmlust?“ (Boulevard der Filmlust: Dieter Kosslick über Aufgaben, Sorgen und Visionen eines „Berlinale“-Direktors. In: Film-Dienst 3, 2010)


Antonio das Mortes – Glauber Rocha Fase 1

8. Februar 2010

Auf der diesjährigen Berlinale wird die restaurierte Fassung von „Antonio das Mortes“ aufgeführt.

In Brasilien ist der Film in einer Box mit 4 Filmen von Glauber Rocha auf  8 DVDs erschienen. Coleção Glauber Rocha – Fase 1 enthält die Filme „O Dragão da Maldade contra o Santo Guerreiro“, „Barravento”, “Terra em Transe” und “A Idade da Terra” mit umfangreichen Beigaben, alles auf Englisch untertitelt. „Deus e o Diabo na Terra do Sol“ ist als Doppel-DVD separat erschienen.

Alle 5 Ausgaben sind das Ergebnis eines ehrgeizigen Restaurierungsprojekts, dessen Qualität seinesgleichen sucht, übrigens wieder gefördert von Petrobras. Das Negativ von „Antonio das Mortes“ war 1973 in einem französischen Kopierwerk verbrannt, so dass man auf eine Kopie des deutschen Fernsehens zurückgreifen musste. Den Ton hatte Glauber Rocha in Kuba hinterlegt. Ein detaillierter Bericht der Restaurierung, auch zu den anderen Filmen, ist auf der offiziellen Website TEMPO GLAUBER nachzulesen. Den portugiesischen Text kann man sich ganz gut mit der Google-Übersetzungsfunktion erschließen.

Die Beigaben zu den 5 Filmen sind sehr umfangreich und zweifellos herausragend. Im Criterionforum wird besonders der Kommentar von Martin Scorsese gefeiert:

„The extras include a sprawling, endless Scorsese appreciation which is hilarious. It makes you realise that almost every other Scorsese introduction you’ve seen must have been either edited to hell or scripted within an inch of its life. Scorsese is a huge fan of this film, and admits to stealing inspiration from it all the way back to Mean Streets, but he doesn’t really get deeper than that wild enthusiasm. Unleashed, however, he does keep on for a good half hour ranging all over the place (why he didn’t like Sergio Leone films, what’s wrong with young Hollywood actors nowadays, what other films he saw back in 1969, wondering if he should answer the phone) while continually dragging himself, kicking and screaming but without much effect, back to Antonio das Mortes. Wonderful stuff.“  (Criterionforum: Glauber Rocha)

Die besondere Qualität der Filme Glauber Rochas hat Peter Buchka als eine Ästhetik des Hungers beschrieben:

„Seine Filme wirkten damals, in den sechziger Jahren, wie gewaltige Schläge unter die Gürtellinie: Nie gesehene Bilder von ungeheuerlicher, direkter Wucht nahmen den betulichen Europäern buchstäblich den Atem. Aus den frühen Filmen von Glauber Rocha kam man erschöpft, verwirrt und betört wieder heraus – ganz so, wie sie selber gemacht waren: in Trance. Da war eine Kraft, die die eines Einzelnen bei weitem überstieg; da war etwas fast explosionsartig hervorgebrochen, was sich in langer Ohnmacht aufgestaut hatte und nun nach Ausdruck schrie. Glauber Rochas Filme schrien am lautesten, doch das war sicher nicht der einzige Grund, daß er bereits als Mittzwanziger der wichtigste Filmemacher Lateinamerikas war.“  (Peter Buchka, in: Süddeutsche Zeitung, München, 25. August 1981)

Die DVD-Box ist in Brasilien bei einigen Anbietern zwar schon ausverkauft, die Einzeltitel sind aber noch lieferbar. Bei Trigon-Film in der Schweiz sind die restaurierten Fassungen auf DVD mit deutschen Untertiteln erschienen, allerdings nur „Terra em Transe“ als Doppel-DVD.

Nachtrag vom 11.2.2010:  Nur wenige Anbieter in Brasilien liefern auch ins Ausland. Bei CD Point sind Box und Einzeltitel noch erhältlich. Ein internationaler Versand ist möglich.


Welt am Draht: New Master

1. Februar 2010

Nach 37 Jahren wieder zugänglich: Am 14. Februar hat die restaurierte Fassung von Rainer Werner Fassbinders „Welt am Draht“ auf der Berlinale ihre Weltpremiere. Am 18. Februar erscheint sie auf DVD. Damit hat die Bavaria Film nach “Berlin-Alexanderplatz” einen weiteren Titel aus ihrem Rechtepool restauriert, um ihn international auf DVD zu vermarkten. Arthaus hat heute eine Presseerklärung dazu veröffentlicht (Auszug):

„Es ist eine Wiedergeburt“, findet Michael Ballhaus – und er muss es wissen. Ballhaus, einer der bedeutendsten Kameramänner des deutschen und internationalen Films, fungierte vor 37 Jahren als Director of Photography. WELT AM DRAHT: NEW MASTER zeigt den Zweiteiler jetzt in seiner originalen Schönheit. „Wir sind den ganzen Film durchgegangen, haben ein Colour-Grading gemacht und geschaut, wo es eventuell heller und dunkler sein darf“, so Ballhaus. Und weiter: „Wir haben den Film gesäubert, einige Schrammen und Ablagerungen entfernt – damit ist das Bild sehr klar und hell. Ich muss sagen, er sieht jetzt fantastisch aus.“ (Arthaus News)