Taxi Driver auf Blu-ray

20. April 2011

Seit Montag ist die restaurierte Fassung von Martin Scorseses Klassiker „Taxi Driver“ auch in Deutschland auf Blu-ray erhältlich (exklusiv bei Amazon, ab 5.5.2011 auch anderswo).

Die Qualität der Blu-ray kommt dicht an die der Weltpremiere der restaurierten Fassung auf der letzten Berlinale heran, so dass manche(r) diesen Film zum ersten Mal seit 1976 in seiner authentischen Form erleben kann:

„For those of us who grew up watching Taxi Driver on VHS and DVD, heretofore unrecognizable details make this disc the next best thing to seeing an actual print of the film. The filth of New York’s underbelly practically leaps off the screen, and though the transfer maintains the grainy rawness of Michael Chapman’s cinematography with agonizing precision, the near-perfect quality of the image suggests nothing less than a freshly minted reel. Sound is similarly pristine; you may feel as if you’re listening to Bernard Herrmann’s swan song for the first time all over again.“ (Rob Humanick in: Slant Magazine vom 9. April, 2011)

Dass die Faszination bei diesem 35 Jahre alten Film ungebrochen ist, wie die Berlinale schrieb, ist auch einem Restaurierungsprozess nach dem aktuellen Stand der Technik zu verdanken:

„Bei der Restaurierung im Frühjahr 2010 wurde das Original 35mm-Negativ mit einem hochauflösenden 4K-Scanner eingelesen, so dass schließlich ein Master in 4K-Qualität vorlag. Auch die Farbkorrektur und digitale Bearbeitung wurde in 4K vorgenommen. Grover Crisp betreute federführend die digitale Restaurierung für Sony Pictures in Kalifornien.“ (Berlinale 2011)

Grover Crisp hat die Restaurierung in einem Interview mit DVDrome genauer beschrieben (dt. übersetzt, siehe auch sein Interview mit The Digital Bits und Debra Kaufman in Creative Cow , jeweils  engl.).

Neben der guten Restaurierung faszinieren auch die neuen Möglichkeiten der Blu-ray, wie hier die Synchronisierung von Paul Schraders Drehbuch mit dem Film von Martin Scorsese.

Wie schön Blu-ray alte Filme wiederbelebt, und zwar so vital, wie sie kaum je  existierten, empfindet man auch bei dem Auftritt dieser zwei älterer Herren … großartig!


Pina Bausch auf DVD

18. April 2011

Die Werke von Pina Bausch auf DVD gehören sicherlich zu den meist gesuchten Tanzfilmen in Deutschland – und zu den am wenigsten auffindbaren – denn es gab bisher keine! Inzwischen sind 3 Inszenierungen von ihr und 2 Dokumentationen über ihre Arbeit erhältlich.

„Kontakthof“ ist in der Variante mit Damen und Herren ab ’65  von 2000 als Buchbeilage erschienen. Eine Dokumentation über diese Inszenierung hat soeben Absolut Medien veröffentlicht: „Damen und Herren ab 65 “ von Lilo Mangelsdorf.  Die andere Variante „Kontakthof mit Teenagern ab 14“ von 2008 ist in „Tanzträume : Jugendliche tanzen Kontakthof von Pina Bausch „ von Anne Linsel dokumentiert (DVD).

Das Wuppertaler Tanztheater hat nun auch eine zweite Inszenierung aus demselben Jahr wie „Kontakthof“ (1978) im Programm, wieder als Buchbeilage des französischen Verlags L’Arche: Café Müller. Man kann nur hoffen, dass die Reihe fortgesetzt wird.

Das dritte Werk ist ihre Inszenierung von „Orpheus und Eurydike“ (Info , Kritik) von Christoph Willibald Gluck als Tanzoper aus dem Jahr 1975 (DVD ; Blu-ray)

Wenn man Wim Wenders Film „Pina“ gesehen und ein Gefühl für die Körperlichkeit der Choreographien von Pina Bausch bekommen hat, spürt man danach unmittelbar den totalitären Charakter mancher Modewerbung, die auf Biegen und Brechen Macht ausstrahlen will. So gesehen ist die deutsche Antipodin zu Pina Bausch Leni Riefenstahl.

Nachtrag vom 15.6.2011: Der Film erscheint auf Blu-ray 3D und 2D, sowie als DVD am 30.9.2011 in Deutschland und am 12.9.2011 bei Artificial Eye in Großbritannien.


Datenbank „Benutzungsmedien Film Online“ vom Bundesarchiv/ Filmarchiv freigeschaltet

16. April 2011

Seit Donnerstag ist die Datenbank Benutzungsmedien Film Online des Bundesarchiv / Filmarchiv freigeschaltet. Damit kann man nun auch im Web den Bestand von über 70.000 Filmtiteln recherchieren, die das Bundesarchiv / Filmarchiv zur Sichtung vor Ort in Berlin-Wilmersdorf anbietet:

„Das Bundesarchiv sammelt deutsche Filme aller Genres seit Aufkommen des Bewegtbildes, soweit sie nicht durch das Fernsehen produziert worden sind. Die vorliegende Suchmaschine bietet die Möglichkeit, in den mehr als 70.000 benutzbaren Medien der Abteilung Filmarchiv online zu recherchieren. Sie befindet sich auf dem Stand vom 14.04.2011 und wird regelmäßig aktualisiert. Zur Benutzung werden in der Regel nur Materialien ausgegeben, die mehrfach gesichert und in ihrem Erhaltungszustand nicht gefährdet sind.“ (Bundesarchiv/ Filmarchiv)

Der Gesamtbestand des zentralen deutschen Filmarchivs ist ebenfalls in einer Datenbank verzeichnet, bisher aber nur vor Ort oder telefonisch recherchierbar. Auch diese Bestandsdatenabank soll online zugänglich gemacht werden.


Lang ist der Weg

14. April 2011

Die Deutschen und ihre Filmgeschichte, das ist ja nicht unbedingt ein Liebesverhältnis.  Bis heute ist die vollständige Fassung von Metropolis hierzulande noch nicht auf DVD und Blu-ray erschienen, trotz der großen Publizität bei der Entdeckung der verloren Teile in Argentinien. Der Interessierte muss sich die exzellente Ausgabe von Eureka aus Großbritannien besorgen.

So kann man erst recht nicht erwarten, dass zwar bedeutende, aber viel unbekanntere Filme wieder zugänglich gemacht werden. Frank Noack weist heute im Tagesspiegel auf die Aufführung von „Lang ist der Weg“ (Lang ist der Veg) in einem kleinen Berliner Stadtteilkino hin:

„Der erste große Spielfilm über den Holocaust wurde im Sommer 1947 in Deutschland gedreht. Er wäre längst ein Klassiker, hätte ihn die DEFA produziert. Aber Lang ist der Weg entstand in der amerikanischen Besatzungszone, auf dem Boden der späteren Bundesrepublik, und es gibt analog zur DEFA-Stiftung keine Institution, die sich für den westdeutschen Nachkriegsfilm engagiert. „Lang ist der Weg“, ein Achtungserfolg in Venedig und sogar in New York, geriet in seinem Herstellungsland in Vergessenheit, verwaist und entwurzelt wie seine Protagonisten (Montag in den Eva-Lichtspielen). Herbert B. Fredersdorf, der während der NS- Zeit zu seiner jüdischen Ehefrau gehalten hatte, und sein Co-Regisseur Marek Goldstein erzählen die Geschichte einer polnischen Familie vom September 1939 bis zur damaligen Gegenwart.

Der Sohn geht in den bewaffneten Untergrund, der Vater wird vergast, die Mutter überlebt das KZ. Der Titel „Lang ist der Weg“ war als Mahnung gedacht, als Aufforderung, das Wiedersehen von Mutter und Sohn nicht als Happy-End zu deuten. Den langen Weg haben sie erst noch vor sich.“ (Frank Noack: Unterwegs im Engel-Express. Der Tagesspiegel vom 14.4.2011, S. 27)

Doch man ist nicht unbedingt auf das so verdienstvolle Berliner Bezirkskino angewiesen. Das National Center for Jewish Film an der Brandeis University in den USA bietet die restaurierte Fassung mit neuen englischen Untertiteln auf DVD an:

„Long is the Road the first feature film to represent the Holocaust from a Jewish perspective. Made by and about Jewish displaced persons, the film was shot on location at Landsberg, the largest DP camp in U.S.-occupied Germany. Effectively mixing neorealist and expressionist styles, the film follows a Polish Jew (played by Israel Becker, one of the founders of the first professional Yiddish theater company in postwar Germany) and his family from the thriving Jewish community of prewar Warsaw through the horrors of Auschwitz to the frustrations and instability of refugee life in the DP camps, and culminates in the emergence of a hope for rebirth and renewal in Israel. (NCJF)

In Deutschland würde man sich dagegen mehr von solchen Ausgaben auf DVD oder Blu-ray wünschen, wie sie z. B.  Kinowelt von „Der Verlorene“ (Arthaus Premium) herausgebracht hat.


Ethnographic Video Online

2. April 2011

Alexander Street Press aus den USA hat einen Fundus von 650 ethnographischen Filmen zu einer Ressource gebündelt und bietet sie als Etnographic Video Online im Streaming -Verfahren an. Im Mittelpunkt des neuen Angebots steht dabei nicht der einzelne Film. Der Filmpool ist als Ganzes rechier- und nutzbar. Streaming ersetzt hier nicht einfach physische Medien wie DVD und Blu-ray mit einer bequemeren Lieferungsart, sondern wird mit seinen spezifischen Möglichkeiten, z.B. unbegrenzter Speicherkapazität, zur Verknüpfung von hunderten Filmen zu einer neuen Einheit genutzt. Im Endausbau sollen 1.000 Filme mit einer Lauflänge von 750 Stunden in dieser Ressource zusammengeführt werden.

„Die vorwiegend englischsprachigen Produktionen, entstanden zwischen 1922 und 2009, stammen aus der ganzen Welt und reichen von einfachen, wenigen Minuten andauernden Video-Feldstudien, über Interviews bis hin zu professionell gestalteten Dokumentarfilmen in Spielfilmlänge. Die Filme, die sich von deskriptiven Dokumentationen bis hin zu dramatisierten Erzählformaten spannen, beschreiben fremde Kulturen, ihre Lebensbedingungen, Normen, Werte sowie Kulturtechniken. Dabei werden verschiedenste Blickwinkel auf Themen wie zum Beispiel Sprache und Kultur, Glaube und Magie, Rituale, Nahrung und Nahrungssuche, Rollenverteilung, Kastenwesen und Sklaverei, Krieg und Konfliktbewältigung gewährt.

[Der Kernbestand stammt von dem renommierten Vertrieb „Documentary Educational Resources“ (DER) , der von John Marshall und Timothy Asch mitbegründet worden ist]. Die Filmauswahl umfasst zahlreiche Klassiker von renommierten Anthrophologen, professionellen Dokumentarfilmern und Fotografen des 20. Jahrhunderts wie Robert J. Flaherty (1884-1951), Timothy Asch (1932-1994), Robert Gardner (*1925), John Marshall (1932-2005), David MacDougall (*1939), Jean Rouch (1917-2004), Melissa Llelewyn-Davies, John Bishop, David Plath u.v.m. (Alexander Street Press)

Reichhaltige Metadaten erlauben eine vielfältige Nutzung des Filmbestands. Die Datenbank kann indexbasiert nach verschiedenen Kriterien wie Titel, Untertitel/Transkript, Ethnologe, Verlag, Sprache, Veröffentlichungsdatum, Aufnahmedatum, Region, ethnische Gruppe, Schlagwort u.a. durchsucht werden. Weitere Features bilden Perma-Links, Standbild- und Playlist-Funktion, Clip-Funktion, verschiedene Bildauflösungsstufen, Notitzfunktion sowie die synchrone Darstellung von Filmaufnahme und Transkript.

Die Bildqualität ist zwar eingeschränkt  – Normalformat: 400 Kilobit/Sek. (400×308 Pixel), Vollformat: 800 Kilobit/Sek. (640×480 Pixel) für Windows Media Player -,  Alexander Street Press ist es allerdings gelungen, mit dem Streaming-Angebot etwas völlig Neues zu schaffen, nämlich aus einem Pool relevanter Filme ein neues Film- /Textmedium zu kreieren, ein einheitliches Studien-Werkzeug, mit dem man fremde Kulturen erkunden und individuell ethnologischen Fragen quer durch den Bestand nachgehen kann – und das alles mit den sinnlichen Qualitäten des Films. Herausragend sind dabei die Transkripte, die synchron zum Film mitlaufen, sowie die intensive Sacherschließung und die Möglichkeit, sich selbst eine Sammlung von Clips zusammenzustellen.

Dies ist umso wertvoller, als der Filmbestand hochklassig ist. Enthalten ist zum Beispiel John Marshalls Langzeitdokumentation „A Kalahary Family“, die in das Memory of the World Register der UNESCO aufgenommen wurde, oder Wang Bings fast 10stündige Dokumentation „Tie Xi Qu – West of the Tracks“ (als DVD in den Niederlanden erhältlich).  Die meisten dieser Filme könnte man allerdings aus finanziellen oder lizenzrechtlichen Gründen gar nicht selbst erwerben.

In Deutschland wird Ethnographic Video Online von Digento lizenziert.


Canyon Cinema vor dem Aus

2. April 2011

Schlechte Nachrichten aus den USA: Canyon Cinema, einer der wichtigsten Vertriebe für Experimentarfilme, ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Organisation, die als Kooperative für die vertretenen Filmemacher arbeitet, verwaltet einen Fundus von 3.500 Titeln, die bis in die 30er Jahre zurückreichen. Enstanden ist sie Anfang der 60ger Jahre im Wohnhaus ihres Gründers Bruce Baillie in Canyon, USA. Jetzt hat ihr Geschäftsführer Dominic Angerame die Alarmglocken geläutet.

Wie viele Experimentalvertriebe hat sich auch Canyon Cinema nicht früh genug entscheiden können, ob man seine Filme breit zugänglich machen will, oder lieber im exklusiven hochpreisigen Zirkel der Kunstwelt verweilt. So hatte man an dem Medienbruch der letzten 15 Jahre zu leiden, denn die neuen Möglichkeiten der DVD als Verbreitungsmedium wurden nicht genutzt:

„This is a very serious letter.  It was emailed to our filmmaker members and we would like to share this with the larger community.  It concerns the survival of Canyon Cinema.
As most of you probably know, film rentals over the past few years have been steadily declining. This is a result of the proliferation of digital media. Many of  Canyon’s major filmmakers who have brought substantial income to the organization have now made their work available in digital formats. Many of our renters, especially in universities, no longer have access to adequate film projection. Often after the purchase of a DVD, instructors of cinema studies continue to use the digital media and forsake the renting of the original 16mm prints. This is partly due to their own dwindling rental budgets and the lack of well functioning projectors.“  (Important Message to the Film Community)

Canyon Cinema hatte in den letzten Jahre zwar immer mehr Titel auch auf DVD zugänglich gemacht, zu angemessenen Preisen allerdings nur für individuelle Kunden, nicht für Institutionen. So konnten z. B. Bibliotheken und Videotheken keine Bestände für die individuelle Ausleihe aufbauen – sicherlich ein schwerer Marketingfehler bei der Popularisierung des Experimentalfilms und der Filmavantgarde.

Man kann nur hoffen, dass die Rettung gelingt und Canyon Cinema sich absichern kann, wie andere wichtige Vertriebe auch:

„Here are some specific examples of experimental film distribution companies modeled after Canyon Cinema currently receiving substantial funding. The Film-Makers‘ Cooperative in New York City is currently funded by the Experimental Television Center as well as New York State Council for the Arts. They have also received a life saving donation of free rental space. Light Cone in Paris is funded by several governmental agencies including Le Centre National de la Cinematographie, Le Ministere de la Culture, La Region Ile-de-France and La Ville de Paris. LUX in London is funded by the Arts Council England and the Leverhulme Foundation for Educational Activities. In Canada the Canadian Filmmaker’s Distribution Centre in Toronto is funded by the Canada Council for the Arts, Ontario Arts Council, The Ontario Trillum Foundation and the Toronto Arts Council. In Vienna, Sixpack Film is most generously supported by the Federal Ministry of Art, Culture and Education (Department for Film), City of Vienna – Department of Cultural Affairs,  the Provincial Governments of Lower Austria, Upper Austria and Salzburgh, and the Trade Association for Music and Film industry.“ (Important Message to the Film Community)

Doch Subventionen allein werden nicht helfen, wenn man sein Publikum nicht pflegt und erweitert. Wer seine Filme nur einem kleinen Zirkel, d. h. meist nur in den Metropolen bekannt macht, kann nicht reussieren. Die INDEX DVD-Edition von Sixpack Film zeigt, dass es auch anders geht. Und das Marktangebot ist noch reichhaltiger: Die Website Experimental Cinema gibt einen Überblick.