Bei Tamasa in Frankreich ist der langgesuchte Film „Demi-Tarif“ (deutsch) von Isild le Besco als DVD mit deutschen Untertiteln erschienen.
Es ist ein prototypischer Film über Kindheit, eine Kindheit ohne Zensuren, Vorschriften, Stundenpläne, Messungen der Intelligenz u. ä., also ohne Erwachsene – wenn Kinder unter sich sind. Ekkehard Knörer schreibt dazu:
“ Was man sieht, Szenen einer Kindheit: Spiele, Schminken, Streiche, Diebstahl. Wir stahlen, wir stahlen, wir stahlen, sagt die Stimme. Die Handkamera zeigt, ist dabei, ist in einem fortwährenden Zustand des Dabeiseins, als gäbe es keine Bilder, als wären die Bilder, die sie zeigt, keine Bilder, sondern das Leben selbst, dieser Traum von einer Vergangenheit, den die Stimme beschwört. Zuhause, draußen, immer die drei. Der Blick der Kamera – gäbe es einen – ist der unbedingter Komplizenschaft, mittendrin, hinterher, sie folgt überallhin, ins Bett, aufs Klo, ins Büro der Lehrerin, die nach den Läusen fragt und was dagegen zu tun ist. Die Welt der Erwachsenen ist eine andere Welt, in die die Kamera mit den Kindern eindringt, die sie mit ihnen wieder verlässt. Auch eine Sache der Moral: Was über dieses hier beschworene Leben, dieses Glück der Anarchie zu denken wäre, darüber nur irgend zu rechten, ist nicht Sache des Films. Die einzige Instanz, die er kennt, ist die Stimme, die hier beschwörend erzählt: Wir liebten uns, wir stritten uns. Die Kindheit, ein Schmerz, aber es ist nicht zu sagen, wo es weh tut.“ (Jump Cut-Magazin: Isild Le Besco: Demi-Tarif )
Für Chris Marker war der Film ein Zeichen für den Beginn einer neuen Welle, so wie damals mit „À bout de souffle“:
„… I must go back to a moment in my life. The very moment I saw Breathless for the first time. As it is not a comparison „movie to movie“ I had in mind, but a comparison „moment to moment“ . I can still see us on the sidewalk of the avenue Mac-Mahon, it was the end of the day, Agnès Varda was there, with Paul Paviot, and when later we compared our memories, what had struck us was to hear ourselves talking faster and louder than usual, as if something had just happened to us like a kind of urgency, a message to send out immediately. The message approximately was “ whatever it is, this we“‚ ve just seen, we had never seen it before on a screen „. Since then I had admired many magnificent, moving, innovating movies, but that physical sense of freshness and urgency, I had never felt that again until HALF-PRICE.“ (Chris Marker)
… also ein Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Isild Le Besco hat das Drehbuch schon mit 16 Jahren geschrieben. Weil ein interessierter Produzent ihr nicht die Regie anvertrauen wollte, hat sie das Projekt später selbst in Hand genommen.
Ihr erster langer Spielfilm „Charly“ soll demnächst auch bei Tamasa auf DVD erscheinen (Kritik von Ekkehard Knörer: „Charly“ ist emotional und erzählerisch auf Millimeterpapier gearbeitet; die Souveränität, mit der die Regisseurin konsequent auf der Sprödigkeit ihrer Figuren beharrt, ist wirklich atemberaubend.).