Israel und die besetzten Gebiete auf DVD

20. Juli 2009

Die amerikanische Filmzeitschrift Cineaste hat in einem ausführlichen Artikel einige Dokumentarfilme auf DVD vorgestellt, die sich mit den psychischen und gesellschaftlichen Folgen beschäftigen, die Besetzung und Abriegelung palästinensischer Gebiete für deren Einwohner und die Israelis selbst haben. Rebecca Romani betont in ihren Aufsatz „The Hazards of Occupation: Documentaries by and about Palestinians and Israelis in the Occupied Territories“ (Volltext im Web vorhanden), wie schwierig eine ausgewogene Darstellung bei diesem Thema ist:

“ The Israeli-Palestinian conflict is a classic „hot-potato“ issue, on which there are widely divergent, bitterly contested viewpoints, making nonfiction documentation of Israel’s occupation of the Gaza Strip and the West Bank an ideological minefield. Where do you go? Whom do you talk to, or against? Is it possible to achieve a „balanced“ presentation? Can one provide enough historical, social, and political context to make the key issues comprehensible for the average viewer?

Occupation, to paraphrase Portia from Shakespeare’s Merchant of Venice, is twice cursed. It curses those who enforce it as well as those under occupation. In the last forty-two years, it would seem no occupation has been more cursed than Israel’s venture in the Gaza Strip and the West Bank. It is an occupation that has involved not only Israeli society in the form of military service, but also Western societies, namely the U.S. through economic and military aid. In addition, the occupation has so divided parts of Israeli society itself as to rip it asunder.

Most tragically, it has driven the Palestinian population to its knees and reduced them to statistics, if not invisibility, in terms of U.S. media coverage. (Rebecca Romani in Cineaste)

Die Filme geben einen sinnlichen Eindruck von den individuellen Schicksalen, wie sie in der laufenden Berichterstattung nur selten vorkommen – am eindrücklichsten vielleicht in „Young Freud in Gaza“ über einen der wenigen Psychologen, die im Gaza-Streifen arbeiten (vgl. dazu auch das Interview mit dem palästinensischen Psychoanalytiker Gehad Mazarweh im gestrigen Tagesspiegel – „Ich bin ein Mann mit einem Mutterherzen“).

Die Filme im einzelnen:

Peace, Propaganda & the Promised Land – U.S. Media & the Israeli-Palestinian Conflict

Palestine Post 9/11

Checkpoint

To See If I‘ m Smiling (Lir’ot Im Ani Mehayechet)

On The Objection Front

Refuseniks

Palestine Blues

Young Freud in Gaza

Zu ergänzen wäre noch einer der bedeutendsten Filme zu diesem Thema: „Avenge but one of my two eyes“ (Nekam Achat Mishtey Eynay) von Avi Mograbi (arsenal), der mit Mitteln der staatlichen israelischen Filmförderung finanziert wurde – auf DVD bei Second Run in Großbritannien erschienen.


Hibos Lied

2. Mai 2008

„Hibos Lied“, ein Film von Sigrid Dethloff und Renate Bernhard, zeigt die furchtbaren Folgen von Genitalverstümmelungen bei Mädchen und Frauen in Afrika. Hibos Lied, das ist die Leitmelodie des Films, der Song der somalischen Sängerin Hibo, die nicht mehr für ihre Tochter tun konnte, als für sie ein Lied zu schreiben. Das Besondere an diesem Film: Er zeigt die schwerwiegenden Folgen für Menschen, die mitten in Deutschland leben, so wie sie die Berliner Gynäkologin Dr. Sabine Müllerin ihrer Praxis erlebt:

„Wir begleiten eine junge Sudanesin auf dem schwierigen Weg, sich vom Denken ihrer Großmutter zu befreien. Wie fast alle Ostafrikanerinnen wurde Gihad Gibreil als Kind an ihren Genitalien verstümmelt und zugenäht. Nur eine Öffnungsoperation kann ihr eine einigermaßen normale Geburt bescheren und ihre Beschwerden lindern. Doch Gihad zögert, obwohl sie seit Jahren in Berlin lebt, Biotechnologie studiert, die biologischen Zusammenhänge kennt und eine moderne Ehe mit einem liebevollen Mann führt, der sie ermutigt.

Wir erleben mit Dr. Sabine Müller eine sensible Ärztin, die in jahrelanger Betreuung beschnittener Frauen viel über die kulturellen Hintergründe der weiblichen Genitalverstümmelung erfahren hat und die zugibt, wie viel sie lernen musste, um ihre Patientinnen angemessen beraten zu können. Und wir besuchen eine besonders schwer betroffene Patientin von Dr. Sabine Müller: Sie kann nicht sitzen, sie kann nicht laufen, sie muss immer zur Toilette, sie hat so viel Schmerzen, so beschreibt die 19jährige Nevin das Leid ihrer Mutter. Samia Tawadros hat nur den einen Wunsch, ihren Töchtern diese Qualen zu ersparen.“ (19. Fernsehworkshop Entwicklungspolitik) (Begutachtung durch Medienzentren)

Die DVD kann bei Terres des Femmes oder bei den Filmemacherinnen direkt bestellt werden (sigriddethloff@gmx.de).

Die Produktionsfirma CouRage bietet noch weitere Filme auf DVD an: „Iss Zucker und sprich süß“ über die Opfer von Zwangsheiraten (die Kurzfassung lief in der ARD) und „Auch ich bin Deutschland“ über die Lage elternloser, jugendlicher Flüchtlinge in Deutschland.


4 Schüler gegen Stalin

20. Juli 2007

Vier Schüler der 11. Klasse an der „Karl-Marx-Oberschule“ in Altenburg versammeln sich am 20. Dezember 1949 in einer Wohnung. Jörn-Ulrich Brödel, Ulf Uhlig, Joachim Näther und Gerhard Schmale gehören einem oppositionellen Zirkel in ihrer Schule an:

„Für diesen Abend planen sie eine wagemutige Aktion – eine illegale Radiosendung aus Anlass des 70. Geburtstages von Josef Stalin. Pünktlich zur Festansprache von DDR-Präsident Wilhelm Pieck beginnen die vier Schüler mit ihrem selbst gebastelten Sender ein eigenes Programm: Im Gegensatz zu den öffentlichen Lobpreisungen bezeichnen sie Stalin als „Massenmörder“ und „Diktator“ und beschuldigen ihn, Millionen Unschuldige im Gulag umgebracht zu haben. Auch in der DDR, so ihre Botschaft, säßen zehntausende Unschuldige in den vom russischen Geheimdienst NKWD wieder genutzten ehemaligen Konzentrationslagern ein. “ (Leipziger Internet Zeitung)

Drei Monate später kommt ihnen die Staatssicherheit auf die Spur. Sie werden verhaftet und 1950 von einem sowjetischen Militärgericht in einem Geheimprozess verurteilt, drei von ihnen zu langjährigen Zuchthausstrafen, Joachim Näther zum Tod. Er wird noch im selben Jahr in Moskau erschossen. Die Verwandten erfahren erst 1997 von seinem Schicksal. Sein Henker kann später identifiziert werden. Er hatte über 10.000 Menschen auf dem Gewissen. Für die vier Schüler selbst hatte sich ihre eigene Radiosendung auf tragische Weise als wahr erwiesen.

Der Film „4 Schüler gegen Stalin“ beschreibt die vergessene Geschichte einer kleinen „Weißen Rose“ in der DDR. Er wurde mit heutigen Schülern der ehemaligen „Karl-Marx-Oberschule“ an den Originalschauplätzen in Altenburg gedreht, zusammen mit den beiden Überlebenden Jörn-Ulrich Brödel und Gerhard Schmale, der den Sender gebaut hatte. Der Nachbau von Gerhard Schmale ist heute im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig ausgestellt.

Die DVD kann bei der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur bestellt werden. Der Jugendroman dazu ist unter dem Titel „50 Hertz gegen Stalin“ bei Sauerländer erschienen. Die Stiftung bietet weitere interessante Filme zum Thema auf DVD an (siehe Publikationen). Leider sind diese Titel oft nicht in einschlägigen Datenbanken und Mailorder-Katalogen nachgewiesen und deshalb nur schwer zu finden.


Der Frankfurter Auschwitz-Prozess

26. Juni 2007

Der Film des Hessischen Rundfunks zum Frankfurter Auschwitz-Prozess von Rolf Bickel und Dietrich Wagner ist in den USA unter dem Titel „Verdict on Auschwitz“ in der vollständigen Version mit 180 Minuten Laufzeit als DVD veröffentlicht worden (Deutsch mit engl. Untertiteln, lieferbar hier), erschienen bei First Run Features . Die in Deutschland 2005 vom HR aufgeführte und dann als DVD vertriebene Version unter dem Titel „Der Frankfurter Auschwitz-Prozess“ ist dagegen nur die Kurzfassung von 60 Minuten (mit den umfangreichen Tonaufnahmen auf CD-ROM). Bei der US-Version handelt es sich um die dreiteilige Originalfassung von 1993, die unter dem Titel „Strafsache 4 Ks 2/63-Auschwitz vor Gericht“ beim HR im Jahr 2000 als Videokassette erschienen ist:

„Die 103 Tonbänder, die „Zur Stützung des Gedächtnisses des Gerichts“ während der Verhandlung aufgezeichnet wurden, hätten eigentlich vernichtet werden sollen. Sie waren Jahrzehnte lang verschollen. Die beiden Autoren dieses Films, entdeckten Sie bei Ihren Recherchen Anfang der Neunziger Jahre. Diese Tonbänder besitzen außerordentlichen historischen Wert, geben sie doch einen unmittelbaren Eindruck dessen, was in Auschwitz wirklich geschah. Zusammen mit exklusiven historischen Filmaufnahmen und Interviews mit Zeitzeugen bilden Sie die Grundlage für diesen weltweit einzigen Film über den „Frankfurter Auschwitz-Prozess“ (HR)


In the Tall Grass

21. Juni 2007

„In the Tall Grass“ beschreibt das Gacaca-System in Ruanda, ein Netzwerk informeller Gerichte vor Ort, mit dem nach einem der größten Völkermorde seit dem 2. Weltkrieg der Frieden im Land zwischen Tutsis und Hutus wiederhergestellt werden soll. Im Mittelpunkt steht die Witwe Joanita Mukarusanga, die ihrem Nachbarn Anastase Butera gegenübertritt, in ihren Augen der Mörder ihrer Familie, in ihrem Dorf, dass die Morde gebilligt hat.

„With unprecedented access, In the Tall Grass explores universal themes of justice in post-conflict societies and the challenges countries like Rwanda face in attempting the transition from a violent past to peaceful future. Through the experiences of Joanita and Anastase, the film illustrate how the genocide and the ideology the propelled it continue to play a dangerous and destabilizing role in the country that if left unaddressed, threaten to one day plunge Rwanda back into chaos.“ (John Coll Metcalfe, Regisseur des Films)

„In the Tall Grass“ hat zahlreiche Preise erhalten und wurde vom Video Round Table der American Library Association in die Liste „2007 Notable Videos for Adults“ der 15 besten Dokumentarfilme auf Video aufgenommen. Der Film ist bei dem Qualitätslabel Choices erschienen und bei amazon.com lieferbar.