DVD: Der Mann, der die Welt rettete – The Man Who Saved The World

4. August 2015

Heute Abend zeigt Arte den dänischen Dokumentarfilm „Der Mann, der die Welt rettete“ (The Man Who Saved The World) über Stanislav Petrov, einen sowjetischen Soldaten, der in der Nacht des 26. September1983 um 0.15 Uhr nach einem vermeintlichen Atomangriff der USA in seinem geheimen Bunker Serpukhov-15 in einem Wald südlich von Moskau nicht auf den roten Knopf für den Gegenangriff drückte und damit die Menschheit auf der Nordhalbkugel vor dem Untergang rettete.

Dieser Vorfall wurde erstmals öffentlich bekannt durch die Memoiren des Generaloberst Yuriy Vsyevolodich Votintsev, die 1998 erschienen. 2006 wurde Stanislav Petrov durch die UNO geehrt. Seitdem arbeitete der Däne Peter Anthony an seinem ersten langen Dokumentarfilm, der mit seinen Spielszenen eigentlich ein Hybrid ist.  Im Mittelpunkt steht die Persönlichkeit eines scheinbar unscheinbaren Mannes, der seinen menschlichen Instinkten folgte, folglich unprofessionell im militärischen Sinne handelte und damit im eigentlichen Sinne der Vernunft folgte.

Als besonderen Fernsehzuschauer wünschen wir uns heute Nacht einen damals verantwortlichen Politiker, der als Bundeskanzler den NATO-Doppelbeschluss maßgeblich initiiert hatte, Helmut Schmidt. Durch die Aufstellung der Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper im Dezember 1983, also wenige Monate nach dem Vorfall in Moskau, wurden die Vorwarnzeiten für einen Atomschlag in Europa extrem verringert und die Gefahr, die Petrov eigenmächtig verhindert hatte, noch einmal vergrößert. Aber wahrscheinlich wird Helmut Schmidt um 22.50 Uhr schon im Bett liegen. Ob er daran denkt, dass er ohne Stanislav Petrovs Tat vielleicht schon 1983 wie wir alle im nuklearen Armageddon verdunstet wäre, wie es uns erst jüngst wieder die Berichte aus Hiroshima und Nagasaki *) vor Augen geführt haben?

*) hier vor allem die herausragende Dokumentation von Lucy Van Beek „Countdown in ein neues Zeitlater: Hiroshima“ (Orig.: Hiroshima: The Aftermath, GB 2014) des Top-Produzenten gründlicher historischer Dokumentationen Brian Lapping (heute Brook Lapping).

Stanislav Petrov ist heute ein unglücklicher Mann, denn seine geliebte Frau Raia lebt nicht mehr. Sie starb an Krebs.

Der Film von Peter Anthony ist in Großbritannien als DVD erschienen.

Nach dem Film: Schon die lustig-launige Anmoderation der Arte-Sprecherin bereitet angemessen auf das folgende Produkt vor.  Peter Anthony hat seinem Plot nicht vertraut und einen durchgehend inszenierten Film hergestellt, wobei er allein die internationale Verwertung im Blick hatte.

Zusammengesetzt aus den Versatzstücken mehrerer Spielfilmgenres hat er seinem Film jede Authentizität ausgetrieben. Besessen von dem Drang nach Verkäuflichkeit seines Medienprodukts hat er seinen Protagonisten mißbraucht – eine Geisel in der Hand des Regisseurs, die in der eigenen Geschichte mitspielen muss. Peter Anthony schleppt ihn wie ein Faktotum durch den Film und zeigt ihn bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit her, um seinem Film Bedeutung zu verleihen. Die aufgeschriebenen, phrasenhaften Dialoge, die Musik und die doppelt und dreifachen Erklärungen des Immergleichen weisen den Film als Kitschprodukt aus, das dem Publikum keinen eigenen Gedanken zutraut und ihm dafür auch keinen Raum läßt. Zu seinen Zuschauern hat Peter Anthony diesselbe Haltung wie zum Protagonisten seines Films.

Der Film steht in der Arte Mediathek noch bis zum 11.8.2015 zur Verfügung.


DVD Schattenkampf – Europas Résistance gegen die Nazis

13. Oktober 2011

Die 5-stündige Fernsehserie über die europaweite Widerstandsbewegung gegen das Dritte Reich von Bernard George, die gestern auf Arte anlief, erscheint auf DVD  in Frankreich in der nächsten Woche und in Deutschland im November (absolutmedien) :

„In ganz Europa – von Paris bis Warschau, von Athen bis Kopenhagen und von London bis Moskau – bildeten sich zwischen 1939 und 1945 Widerstandsgruppen gegen die brutale Gewalt und die Barbarei des NS-Regimes. Auch wenn sie nur eine Minderheit waren, bekämpften sie den Nationalsozialismus mit allem, was ihnen zur Verfügung stand. Und setzten dabei ihr Leben aufs Spiel. Die Dokumentationsreihe »Schattenkampf« beleuchtet erstmals die Geschichte des Widerstands im Zweiten Weltkrieg in seiner ganzen europäischen Dimension. Mit Hilfe der Erzählungen zahlreicher Zeitzeugen, darunter dem ehemaligen Résistance-Kämpfer Stéphane Hessel (EMPÖRT EUCH) und Simha Rotem (SHOAH), und bisher unveröffentlichtem Material aus Privatarchiven wird ein neuer Blick auf die Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg möglich. In den sechs Teilen der Reihe fügen sich die vielen Einzelschicksale zu einem großen europäischen Gesamtbild des Widerstands zusammen.“ (absolutmedien)

Die Serie basiert im wesentlichen auf Zeitzeugenaussagen und Unterlagen aus Privatarchiven. Das Projekt macht also authentische Erfahrungen zugänglich, die man nicht mehr lange hätte gewinnen können:

„DIE ZEUGEN: Wladyslaw Bartoszewski, Simha Rotem, Baruch Shub, Maria Stypulkowska-Chojecka, Jorgen Kieler, Knud Pedersen, Gunnar Dyrberg, Ragnar Ulstein, Gunnar Kvaerk, Andrée Dumont, Wim Van Norden, Stéphane Hessel, Robert Salmon, Robert Maloubier, Per Mortensen, Marcel Frankson, Juraj Hrzenjak, Adam Dupalo, Epaminondas Spiliotopoulos, Apostolos Santas, Manolis Glezos, Hans Heisel, Truus Menger-Oversteegen, Themis Marinos, K. W. Skraastad, Ursula Katarzynska, Piotr Braiko, Oleinik Anatoli Mihailovitch, Elimelech Melamed, Freddie Dekker-Oversteegen, Hans Heisel, Ragnar Ulstein, Robert Maloubier, Joachim Ronneberg, Nikolaos Zervas, Andrée Gueulen, Henriette Hanotte, Rosario Bentivenia, Jean Carraz, Gunnar Sonsteby, Ettore Serafino, Emenegildio Guldi, John Earle, Olga Zivkoviv, Uros Susteric, Elmernegildo Bugni, Marie-Jo Chombart de Lauwe, Ennio Tassinari, Janusz Brochwicz-Lewinski, Maria Veikou, Manolis Glezos, Michael Ward, Marisa Teresa Sacco, Pierre-Paul Baaten“ (absolutmedien)

 


Lang ist der Weg

14. April 2011

Die Deutschen und ihre Filmgeschichte, das ist ja nicht unbedingt ein Liebesverhältnis.  Bis heute ist die vollständige Fassung von Metropolis hierzulande noch nicht auf DVD und Blu-ray erschienen, trotz der großen Publizität bei der Entdeckung der verloren Teile in Argentinien. Der Interessierte muss sich die exzellente Ausgabe von Eureka aus Großbritannien besorgen.

So kann man erst recht nicht erwarten, dass zwar bedeutende, aber viel unbekanntere Filme wieder zugänglich gemacht werden. Frank Noack weist heute im Tagesspiegel auf die Aufführung von „Lang ist der Weg“ (Lang ist der Veg) in einem kleinen Berliner Stadtteilkino hin:

„Der erste große Spielfilm über den Holocaust wurde im Sommer 1947 in Deutschland gedreht. Er wäre längst ein Klassiker, hätte ihn die DEFA produziert. Aber Lang ist der Weg entstand in der amerikanischen Besatzungszone, auf dem Boden der späteren Bundesrepublik, und es gibt analog zur DEFA-Stiftung keine Institution, die sich für den westdeutschen Nachkriegsfilm engagiert. „Lang ist der Weg“, ein Achtungserfolg in Venedig und sogar in New York, geriet in seinem Herstellungsland in Vergessenheit, verwaist und entwurzelt wie seine Protagonisten (Montag in den Eva-Lichtspielen). Herbert B. Fredersdorf, der während der NS- Zeit zu seiner jüdischen Ehefrau gehalten hatte, und sein Co-Regisseur Marek Goldstein erzählen die Geschichte einer polnischen Familie vom September 1939 bis zur damaligen Gegenwart.

Der Sohn geht in den bewaffneten Untergrund, der Vater wird vergast, die Mutter überlebt das KZ. Der Titel „Lang ist der Weg“ war als Mahnung gedacht, als Aufforderung, das Wiedersehen von Mutter und Sohn nicht als Happy-End zu deuten. Den langen Weg haben sie erst noch vor sich.“ (Frank Noack: Unterwegs im Engel-Express. Der Tagesspiegel vom 14.4.2011, S. 27)

Doch man ist nicht unbedingt auf das so verdienstvolle Berliner Bezirkskino angewiesen. Das National Center for Jewish Film an der Brandeis University in den USA bietet die restaurierte Fassung mit neuen englischen Untertiteln auf DVD an:

„Long is the Road the first feature film to represent the Holocaust from a Jewish perspective. Made by and about Jewish displaced persons, the film was shot on location at Landsberg, the largest DP camp in U.S.-occupied Germany. Effectively mixing neorealist and expressionist styles, the film follows a Polish Jew (played by Israel Becker, one of the founders of the first professional Yiddish theater company in postwar Germany) and his family from the thriving Jewish community of prewar Warsaw through the horrors of Auschwitz to the frustrations and instability of refugee life in the DP camps, and culminates in the emergence of a hope for rebirth and renewal in Israel. (NCJF)

In Deutschland würde man sich dagegen mehr von solchen Ausgaben auf DVD oder Blu-ray wünschen, wie sie z. B.  Kinowelt von „Der Verlorene“ (Arthaus Premium) herausgebracht hat.


Einsatzgruppen – Les commandos de la mort

15. Juni 2010

In den USA ist der französische Fernsehfilm von France 2 „Einsatzgruppen – Les Commandos de la mort“ (Einsatzgruppen: The Death Brigades) auf DVD mit englischen Untertiteln erschienen. Schon bei diesem deutschen Wort im französischen und englischen Titel läuft es einem kalt den Rücken herunter.

Die dreistündige Dokumentation von Michael Prazan beschreibt im ersten Teil „The Mass Graves“ auch anhand neu aufgefundener Bilddokumente die Arbeit der vier Einsatzgruppen A bis D  hinter den Linien der deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion. Diese Todesschwadronen des Dritten Reiches ermordeten von 1941 an 1,5 Millionen Menschen, vor allem Juden, aber auch Roma, Kommunisten, vermeintliche Partisanen und Kriegsgefangene. Der zweite Teil „Funeral Pyres“ zeigt die Arbeit beim Verwischen der Spuren, die nach der Entdeckung der von der Sowjetunion ermordeten polnischen Offiziere  in Katyn und dem weltweiten Widerhall darauf begann.

Anne Nelson stellt in ihrem Artikel „The Obligations of History“ den Film in eine Reihe mit Alain Resnais‘ „Nuit et Brouillard“ und Claude Lanzmanns „Shoah“:

Einsatzgruppen takes a place of honor in a series of documentaries that have made a major contribution to our understanding of the Holocaust. In the past, these have largely dealt with the phenomenon of concentration camps. Alain Resnais’s 32-minute Night and Fog (1955) brought images of the death camps to a mass audience a decade after the war. Claude Lanzmann’s Shoah (1985) was a nine-hour exploration of the role of the bystander.“ (Anne Nelson:  The Obligations of History. Museum of the Moving Image)

Umso erstaunlicher sind die Schwierigkeiten, auf die der Film bei seiner Verbreitung stößt:

„The role of Einsatzgruppen as a historical corrective will depend largely on its distribution. It has been broadcast on French television and screened at festivals, but Prazan admitted he was having trouble placing it in wider distribution. Ironically, it cannot be broadcast in Germany, due to laws that prohibit showing the faces of individuals implicated in war crimes [?]. But the climate has been discouraging in the U.S. as well. Prazan’s film is relentless in its images of the slaughter. After three hours of heartbreaking tales and mounds of bodies, the viewer runs the risk of succumbing to numbness. There is no question the film does not belong on U.S. commercial networks, bracketed by beer commercials. But neither does it fit into the increasingly „uplifting“ public-television documentary format, or the weakening cable documentary lineup. In other words, it is unlikely to reach a wide American audience to serve the purposes of public awareness and education.“ (Anne Nelson:  The Obligations of History. Museum of the Moving Image)

Wir werden sehen, ob das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen seinen Verpflichtungen nachkommen wird. Bis dahin bleiben die beiden DVD-Ausgaben: Die französische DVD hat offenbar keine englischen Untertitel. Die amerikanische Edition ist nur zu einem hohen institutionellen Preis von $ 180,- erhältlich, also etwas für Bibliotheken und Bildungseinrichtungen.


John Gianvito

27. November 2009

In der aktuellen Kolumne „Historical Meditations in Two Films by John Gianvito“ weist Jonathan Rosenbaum in seinem Blog auf die beiden Filme des kaum bekannten Filmemachers John Gianvito hin, „The Mad Songs of Fernanda Hussein“ (deutsch) und „Profit Motive and the Whispering Wind“ (deutsch). Den ersten, ein Spielfilm über drei Protagonisten des US-amerikanischen Lebensgefühls zur Zeit des ersten Golfkriegs, zählt Rosenbaum zu den wichtigsten Independent-Filmen des letzten Jahrzehnts:

„… this feature remains for me one of the key American independent … features of the past decade, and it’s hard for me to think of another that’s more personally important to me.“ (Jonathan Rosenbaum)

Der zweite ist ein meditativer Dokumentarfilm über den Gräbern von Vorkämpfern für eine gerechtere Gesellschaft:

„Never morbid, and too gentle to qualify as strictly didactic, Profit Motive invites us to accompany Gianvito on a casual, fact-finding tour of American history that’s as much concerned with what is lost as what is found.“ (Jonathan Rosenbaum)

… ein lesenswerter kleiner Essay, der einen wenig beachteten Filmemacher hervorhebt.

„The Mad Songs of Fernanda Hussein“ ist nur noch als Rarität auf DVD erhältlich, „Profit Motive and the Whispering Wind“ dagegen bei Mailorder-Vertieben in den USA ganz normal lieferbar.


Bill Douglas: Comrades

4. August 2009

Letzte Woche in Großbritannien erschienen – ein Film, der in seiner optischen Wucht mit Terence Malicks „Days of Heaven“ verglichen wird:

„Comrades“ von Bill Douglas, schildert die Geschichte einer kleinen Gruppe von Landarbeitern Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, die sich gegen Lohndrückerei wehren, eine der ersten Gewerkschaften gründen und dafür sieben Jahre lang nach Australien verbannt werden. Die sechs Tolpuddle Martyrs aus dem kleinen Dorf Tolpuddle gelten mit ihrer „Friendly Society of Agricultural Labourers“ im Vereinigten Königreich als die eigentlichen Wegbereiter freier Gewerkschaften (New Statesman).

Der Film von Bill Douglas war seit zwanzig Jahren fast vergessen und erblickt jetzt wieder in einer restaurierten Fassung als Blu ray und DVD das Licht der Kinowelt (beide Ausgaben übrigens mit deutschen Untertiteln) – ein Epos, das man ohne weiteres historischen Werken wie Bernardo Bertoluccis „1900“ an die Seite stellen kann, das allerdings ganz vom persönlichen Stil seines Regisseurs geprägt ist, wie er ihn für die autobiographische Trilogie über seine Kindheit entwickelt hat:

„The same sense of directness hits the viewer with shocking immediacy from the first scenes of Comrades and it never lets up throughout the entire three-hours of the remarkable journey not only of the men in the film, but of the journey made in basic human rights.

Douglas understands that it’s the abuse of those rights that speak louder about the nature of poverty than it being simply the lack of money or food on the table, but it’s the lengths it drives the men to (in one of the most harrowing scenes in the film, one starving man pulls a stolen turnip out of the ground, takes a few bites and replants it in the field), and the sacrifices that have to be made simply to subsist. It’s being unable to have children for lack of being able to provide for them, the continual erosion of one’s dignity and the injustice of having no-one to appeal to for the basic right of a fair day’s wage for a fair day’s work…

The release of Comrades on Blu-ray and DVD is undoubtedly one of the events of the year, a rediscovery of a powerful and moving film that was underappreciated at the time it was released and has almost been forgotten in the meantime. The unique qualities demonstrated by Bill Douglas in his autobiographical Trilogy, are expanded on and developed further here, taken to an epic scale, while at the same time remaining rooted in the individual, with a profound understanding of the human spirit, the experience of poverty, suffering and faith in the eventual deliverance of the common man. On a superb Blu-ray release, the transfer does full justice to the cinematography, colouration and the intangible qualities of the film’s magic, the feature well-supported by illuminating features on its making and on the man behind it. There couldn’t be a finer tribute to a great director than making his genius known to a wider audience, and this release does just that.“ (Noel Megahey, DVD Times)

Blu ray und DVD sind mit reichhaltigen Extras versehen – Test der Blu ray bei DVD-Beaver – Kritik am Film von Vincent Canby, New York Times.


A History of Israeli Cinema

16. Juli 2009

Arte France hat den dreieinhalbstündigen Film von Raphael Nadjari über die Geschichte des israelischen Films auf DVD veröffentlicht. „Une histoire du cinéma Israelien“ (The History of Israeli Cinema) (Katalog Forum Berlinale 2009) beschreibt analytisch die Entwicklung des Landes im Spiegel seiner Filme:

„A History of Israeli Cinema erzählt, wie sich der Blick auf eine Gesellschaft entwickelt und geformt hat, die von ethnischen, religiösen und politischen Konflikten zerrissen ist. Der Film versucht diese komplexen Zusammenhänge zu verstehen, anzuprangern oder näher zu ergründen, immer darum bemüht, dies mit der angemessenen Haltung und in stimmiger Form zu tun.
A History of Israeli Cinema ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen, gründlicher Studien und zahlloser Sichtungen. In Gesprächen mit Schauspielern, Intellektuellen, Produzenten, Filmemachern, Professoren und Filmkritikern ist eine aufgrund ihrer Vielstimmigkeit und Vielschichtigkeit fragile Geschichte des israelischen Films entstanden. Nicht ein Ergebnis wird hier geliefert, sondern eine Entwicklung beschrieben.“ (Forum – Berlinale 2009)

Die französische DVD-Ausgabe hat deutschen Ton, wird aber von Arte in Deutschland nicht angeboten – wie bei vielen anderen Arte-Editionen auch. Vielleicht gilt bei Arte das Publikum hierzulande als ein wenig unterwickelt, so dass sich ein solches Angebot nicht lohnt?


Johnny Mad Dog

4. Juni 2009

In Frankreich ist heute „Johnny Mad Dog“ (deutsch), der Film von Jean-Stéphane Sauvaire über die Kindersoldaten von Liberia auf DVD und Blu ray erschienen (Engl. mit franz. Untertiteln). In Cannes 2008 in der Reihe „Un Certain Regard“ vorgestellt, erregte der Film das dem Sujet angemessene Entsetzen:

„The brutal French-Belgian-Liberian movie “Johnny Mad Dog,” an assaultive fiction about Liberian child soldiers made with boys and girls who actually fought in that country’s recent war, left me wrung out — furious, confused, deep in thought…

Although I’m certain Mr. Sauvaire means well — he talks a good line about wanting to get close to the truth, though doesn’t explain what truth he means — it’s impossible not to question what he wants his audience to take away from this spectacle. Terror? Pity?

I felt both, but was also repulsed by Mr. Sauvaire’s high-minded exploitation and provocative flourishes, like the image of the children walking through a graveyard as a radio broadcast of Martin Luther King’s “I Have a Dream” speech fills the air. (Liberia was founded by former American slaves in the mid-19th century.)…

During the prescreening pleasantries when some of the movie’s creators were introduced, one of the group assured the predominately white audience that Liberia’s president, Ellen Johnson-Sirleaf, and all the people of the republic stand behind “Johnny Mad Dog.” Afterward, still reeling from what I’d just seen, I wondered, Who am I to argue? — (Manhola Dargis: Where Children Fight the Wars, Innocence Dies First. New York Times, 22.5.2008)

Die offizielle Site des Films macht deutlich, wie kontrovers eine solche ästhetische Behandlung des Themas diskutiert werden kann, auch wenn die Laiendarsteller selbst Kindersoldaten waren. Der Film läßt allerdings auch über den neoliberalen Weckruf Maggie Thatchers nachdenken: „And, you know, there is no such thing as society…“ – eine Gesellschaft gibt es nicht.

Test der nicht optimal gemasterten DVD von heute auf filmsactu.com – enthalten sind auch zwei Kurzfilme des Regisseurs („O dios“, „Matalo“) und das 50minütige Making of „Acteurs Nés“ über die Arbeit mit den Laiendarstellern. Zusammen mit der DVD des Dokumentarfilms „Carlitos Medellin“ (Span. mit engl. Untertiteln) über ein ähnliches Thema in Kolumbien, die auch den Kurzfilm „La Mule“ enthält, liegt damit das gesamte Werk von Jean-Stéphane Sauvaire auf DVD vor.


Comme un Juif en France – Being Jewish in France

13. Mai 2009

In New York läuft heute die große, dreistündige Dokumentation von Yves Jeuland über jüdisches Leben in Frankreich an. „Comme un juif en France“ (France 3) beschreibt das Leben einer Minderheit in einem Land, das ihr als erste europäische Nation die vollen Bürgerrechte zugestand und sie dann doch an die deutschen Besatzer in den sicheren Tod übergab:

„Yves Jeuland’s masterful, sweeping new documentary explores the rich and complex history of Jews in France, the first country to grant Jews citizenship. Beginning with Revolutionary cries of Vive la France in Yiddish, the film explores the explosive Dreyfus Affair, the Vichy government’s collaboration with the Nazis, and the absorption of Sephardic Jews from Arab countries in the decades after WWII. Being Jewish in France confidently continues into the 21st century, investigating charges of rising antisemitism and the county’s complex attitudes toward Israel.
A fascinating and provocative exploration of French-Jewish history, Being Jewish in France is given vivid human dimension by interviews with more than a dozen leading French politicians, intellectuals and artists including Robert Badinter, Théo Klein, Jean-Claude Grumberg, Marceline Loridan-Ivens, and Jean Benguigui. Presenting a treasure trove of lush archival material, memorable music, and clips from classic French films, Being Jewish in France is poised to become the definitive film on the topic.“ (Presseerklärung National Film Center for Jewish Film, Brandeis University)

Die DVD ist schon 2007 in Frankreich erschienen, leider ohne englische Untertitel. Die untertitelte Fassung gibt es jetzt neu beim National Film Center for Jewish Film in den USA, leider nur zum Preis für den Educational Market.

Der Regisseur Yves Jeuland hat sich einen Namen mit Dokumentationen über gesellschaftliche Konflikte gemacht:

„In 2001 he won the 7 d’Or award for the best documentary series for PARIS AT ANY COST (PARIS À TOUT PRIX) about the 2-year electoral campaign for the capital’s City Council. Jeuland was awarded the Silver FIPA for his documentary about the history of Communism in France CAMARADES (2003). His other films include BLEU BLANC ROSE (2002), a documentary exploring gay and lesbian life in Paris over the last thirty years, and THE CENTURY OF SOCIALISTS (LE SIECLE DES SOCIALISTES) (2005). (National Film Center for Jewish Film, Brandeis University)


Die Unberührbare, eine Anita G. der Wende

15. April 2009

Zwei große Klassiker des deutschen Films: „Abschied von gestern“ (1965/ 1966) und „Die Unberührbare“ (1999/ 2000), zwei große Schwarzweiss-Filme, zwei Filme über deutsche Wirklichkeiten in Umbruchzeiten. Die unberührbare Hanna Flanders erscheint als späte Schwester von Anita Grün, sozusagen eine Anita G. der Wendezeit.

Der Film erzählt die Geschichte von Anita Grün, 1937 in Leipzig geboren, in der Nazizeit als Jüdin vom Schulbesuch ausgeschlossen, die nun, 1957 im Westen versucht, wieder Fuß zu fassen. Alexander Kluge bemerkt: „Anita G. ist ein Mädchen, das nie richtig erzogen worden ist, weder im Dritten Reich noch in der DDR.“ Als sie in den Westen kommt, gelingt es ihr nicht, sich anzupassen. Schuld daran ist die herzlose, bürokratische Gesellschaft.‘ „ (Abschied von gestern)

Es ist falsch anzunehmen, „Die Unberührbare“ lege den Finger „nur“ auf eine persönliche Wunde, dazu war Gisela Elsner vielleicht auch schon immer eine zu öffentliche, zu artifizielle Person. „Du verwechselst mich mit meinem Make-up“, sagt sie einmal zu ihrem Ex-Ehemann, doch dem Sohn gelingt es, nicht nur das Bild der Mutter abzuschminken, sondern auch das der Realität, in der sie sich bewegte…

Endlich einmal schafft es ein deutscher Spielfilm, sich aus der West-Perspektive mit der Zeit der Wende auseinanderzusetzen, in der die Linke sich in Ohnmachtserklärungen erging, die bundesdeutschen Feuilletons nichts weiter taten, als die Verstrickungen der Ost-Schriftsteller zu sezieren, und der Konservativismus der Ära Kohl fröhliche Urstände feierte. Und endlich einmal spürt man etwas von der Depression, von dem Schock (als Kehrseite der allgemeinen Euphorie), den der Fall der Mauer im deutschen Westen auslöste.

Roehler folgt der Kunstgestalt Hanna Flanders wie einem Seismographen durch die deutsche Geschichte zweier Jahre, und plötzlich scheint diese Frau nicht länger „unberührbar“, sondern umgekehrt, zu berührbar.“ (Veronika Rall: Die Unberührbare. Oskar Roehler berichtet von den letzten Tagen im Leben seiner Mutter Gisela Elsner. In: epd Film, Nr. 5, 02.05.2000).

„Die Unberührbare“ spiegelt sich in „Abschied von gestern“, der zu einer Zeit erschien, als Gisela Elsner mit ihrem ersten Roman Furore machte. Beide Filme sind auf merkwürdige Weise miteinander verbunden, als könnte der zweite die Vollendung des ersten sein. Auch „Die Unberührbare“ ist ein Abschied von gestern.

Die besondere Sicht beider Filme auf dieses Land verdankt sich vor allem auch den herausragenden Kameramännern, Thomas Mauch und Edgar Reitz bei „Abschied von gestern“, Hagen Bogdanski bei „Die Unberührbare“. Die Verwandtschaft beider Filme spürt man nur, wenn man sie sieht, nicht, wenn man über sie liest.