Heute Abend zeigt Arte den dänischen Dokumentarfilm „Der Mann, der die Welt rettete“ (The Man Who Saved The World) über Stanislav Petrov, einen sowjetischen Soldaten, der in der Nacht des 26. September1983 um 0.15 Uhr nach einem vermeintlichen Atomangriff der USA in seinem geheimen Bunker Serpukhov-15 in einem Wald südlich von Moskau nicht auf den roten Knopf für den Gegenangriff drückte und damit die Menschheit auf der Nordhalbkugel vor dem Untergang rettete.
Dieser Vorfall wurde erstmals öffentlich bekannt durch die Memoiren des Generaloberst Yuriy Vsyevolodich Votintsev, die 1998 erschienen. 2006 wurde Stanislav Petrov durch die UNO geehrt. Seitdem arbeitete der Däne Peter Anthony an seinem ersten langen Dokumentarfilm, der mit seinen Spielszenen eigentlich ein Hybrid ist. Im Mittelpunkt steht die Persönlichkeit eines scheinbar unscheinbaren Mannes, der seinen menschlichen Instinkten folgte, folglich unprofessionell im militärischen Sinne handelte und damit im eigentlichen Sinne der Vernunft folgte.
Als besonderen Fernsehzuschauer wünschen wir uns heute Nacht einen damals verantwortlichen Politiker, der als Bundeskanzler den NATO-Doppelbeschluss maßgeblich initiiert hatte, Helmut Schmidt. Durch die Aufstellung der Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper im Dezember 1983, also wenige Monate nach dem Vorfall in Moskau, wurden die Vorwarnzeiten für einen Atomschlag in Europa extrem verringert und die Gefahr, die Petrov eigenmächtig verhindert hatte, noch einmal vergrößert. Aber wahrscheinlich wird Helmut Schmidt um 22.50 Uhr schon im Bett liegen. Ob er daran denkt, dass er ohne Stanislav Petrovs Tat vielleicht schon 1983 wie wir alle im nuklearen Armageddon verdunstet wäre, wie es uns erst jüngst wieder die Berichte aus Hiroshima und Nagasaki *) vor Augen geführt haben?
*) hier vor allem die herausragende Dokumentation von Lucy Van Beek „Countdown in ein neues Zeitlater: Hiroshima“ (Orig.: Hiroshima: The Aftermath, GB 2014) des Top-Produzenten gründlicher historischer Dokumentationen Brian Lapping (heute Brook Lapping).
Stanislav Petrov ist heute ein unglücklicher Mann, denn seine geliebte Frau Raia lebt nicht mehr. Sie starb an Krebs.
Der Film von Peter Anthony ist in Großbritannien als DVD erschienen.
Nach dem Film: Schon die lustig-launige Anmoderation der Arte-Sprecherin bereitet angemessen auf das folgende Produkt vor. Peter Anthony hat seinem Plot nicht vertraut und einen durchgehend inszenierten Film hergestellt, wobei er allein die internationale Verwertung im Blick hatte.
Zusammengesetzt aus den Versatzstücken mehrerer Spielfilmgenres hat er seinem Film jede Authentizität ausgetrieben. Besessen von dem Drang nach Verkäuflichkeit seines Medienprodukts hat er seinen Protagonisten mißbraucht – eine Geisel in der Hand des Regisseurs, die in der eigenen Geschichte mitspielen muss. Peter Anthony schleppt ihn wie ein Faktotum durch den Film und zeigt ihn bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit her, um seinem Film Bedeutung zu verleihen. Die aufgeschriebenen, phrasenhaften Dialoge, die Musik und die doppelt und dreifachen Erklärungen des Immergleichen weisen den Film als Kitschprodukt aus, das dem Publikum keinen eigenen Gedanken zutraut und ihm dafür auch keinen Raum läßt. Zu seinen Zuschauern hat Peter Anthony diesselbe Haltung wie zum Protagonisten seines Films.
Der Film steht in der Arte Mediathek noch bis zum 11.8.2015 zur Verfügung.