The Connection von Shirley Clarke restauriert

21. Mai 2012

„What has eight junkies, four jazz musicians, one remarkable director, 103 restored minutes of rebellious filmmaking and the BEST reviews in New York City?“

Die Antwort: Das versunkene  Werk von Shirley Clarke taucht wieder auf: Ihr erster Film „The Connection“  (Forum des jungen Films 2012) wurde in restaurierter Form Anfang Mai in New York wiederaufgeführt und die Resonanz war enorm. Manohla Dargis, Karina Longworth, Jim Hoberman haben sich mit ihrem Werk auseinandergesetzt und Indie Wire führte eine Diskussion.

„Während der Living-Theater-Inszenierung von Jack Gelber sei das Publikum in Verlegenheit geraten, in der Filmversion von Shirley Clarke müsse es sich als Angeklagter vorkommen, hieß es zur Premiere. Der Film zeigt, wie eine Gruppe drogenabhängiger Jazzmusiker in einer New Yorker Wohnung auf ihre „Connection“ wartet, während ein zweiköpfiges Dokumentarfilmteam die Situation aufnimmt. In Begleitung einer christlichen Straßenpredigerin trifft der Drogenhändler ein. Spätestens als der Filmemacher, dessen Bibel Kracauers „Theory of Film“ ist, ihn auffordert, den Blick von ihm zu lassen und nach seiner Kamera wie nach einer Waffe greift, verschieben sich die Machtverhältnisse unwiederbringlich. Das Filmteam und die Protagonisten verhandeln Fragen von Moral und Gesellschaft sowie das Verhältnis von Realität und Fiktion in einer schwindelerregenden Choreografie von Zuständen: Scharfsinn, Rausch und Entzug. Die Kamera, mal Handkamera, mal statisch, wird zur leitenden Hauptfigur; es scheint, als habe sie nicht nur einen Körper und ein Gehirn, sondern ein Gewissen.
THE CONNECTION seziert das Kino und ging als Meilenstein des Cinéma Vérité, aber auch als Jazzmusical in die Filmgeschichte ein. “ (Arsenal-Kino)

Amy Heller und Dennis Doros von Milestone Films werden nach und nach 4 Langfilme und über zwölf  ihrer Kurzfilme in restaurierter Form veröffentlichen, wie immer nach der Kinoaufführung auch als DVD und Blu-ray. Damit werden ihre Arbeiten nach Jahrzehnten des Vergessens wieder zugänglich. Shirley Clarke ist wieder da!

Erschienen waren bisher lediglich „Portrait of Jason“ bei SecondrunDVD in Großbritannien und „The Connection“ in qualitativ schlechter Fassung in einer versteckten Jazz-Edition – beide DVDs sind inzwischen vergriffen und nur noch zu Höchstpreisen erhältlich.

Shirley Clarke steht mit ihrer Filmarbeit Ende der 50ger Jahre und  Anfang der 60er Jahre  mit dem Statement für ein New American Cinema“ und als Mitgründerin der Film-Makers‘ Cooperative in New York am Beginn einer neuen Art des Filmemachens. Als weibliche Filmemacherin war sie in dieser Szene zu jener Zeit eine Ausnahme:

„I identified with black people because I couldn’t deal with the woman question and I transposed it. I could understand very easily the black problems, and I somehow equated them to how I felt. When I did The Connection, which was about junkies, I knew nothing about junk and cared less. It was a symbol–people who are on the outside. I always felt alone, and on the outside of the culture that I was in. I grew up in a time when women weren’t running things. They still aren’t.[10]“ (Wikipedia)


La Red von Emilio Fernandez auf DVD

21. Mai 2012

Der kleine Vertrieb Tamasa in Frankreich, sonst spezialisiert auf Arbeiten u. a. von Isild Le Besco, hat den mexikanischen Klassiker „La Red“ (Kritik) von Emilio Fernandez auf DVD herausgebracht.

Eine Ausnahmeerscheinung  im Werk von Fernandez am Ende seiner produktivsten Periode lebt der Film fast ohne Dialoge von einer expressiven Bildsprache – die Kamera führte jedoch nicht Gabriel Figueroa, wie bei den meisten von Fernandez‘ bedeutenden Filme, sondern Alex Phillips. Dafür bekam der Film 1953  den „Prix international du film le mieux raconté par l’image“ auf dem Festival von Cannes.

Une narration sobre et circulaire, des personnages essentiellement physiques, presque mutiques, La Red ne ressemble à aucun autre des grands mélodrames(4) d‘Emilio Fernández(5), ni à ceux du maitre mexicain du genre Roberto Gavaldón. L’influence du cinéaste russe Sergueï Eisenstein transparaît régulièrement, celle du co-scénariste Neftali Beltrán aussi, en particulier à travers le culte, au moins formel, du corps qui y est rendu. Le film évoque étrangement deux productions nippones ultérieures, Kurutta kajitsu de Kô Nakahira par ses thèmes (possession, convoitise, désir…) et son audace. Hadaka no shima de Kaneto Shindô au dépouillement naturaliste assez comparable.

L’indigénisme de Fernández le pousse naturellement à une sublimation romantique, laquelle reste néanmoins fidèle à sa peinture des grandes passions, de l’antagonisme des sentiments ou des impérissables oppositions (nature et civilisation, anarchie et ordre, passion et vertu, interdit et transgression). L’évidente, quoique maitrisée, charge érotique de La Red participe paradoxalement à ce processus lyrique dans lequel la bande musicale sert souvent de principal vecteur de dramatisation.“ (AlHolg, dvdtoile.com – zur Übersetzung bitte Google Übersetzer verwenden)


Leonard Retel Helmrichs Trilogie auf DVD

18. Mai 2012

Vor 5 Jahren hatten wir schon darauf hingewiesen. Jetzt ist die Trilogie von Leonard  Retel Helmrich  nach der Edition in den Niederlanden auch mit englischen Untertiteln auf DVD erschienen. Unter dem Titel „Position among the Stars“ hat das Label Dogwoof die drei Teile „Stand van de zon“ , „Stand van de maan“ and „Stand van de sterren“ für den 4. Juni 2012 angekündigt.

Dieses Werk gehört zweifellos zu den großen Dokumentationen unserer Zeit.

„For 12 years, film maker Leonard Retel Helmrich followed an Indonesian family from the slums of Jakarta and this resulted in the trilogy ‘Stand van de zon’, ‘Stand van de maan’ and ‘Stand van de sterren’ (“Eye of the Day”, “Shape of the Moon” “Position among the Stars”) Just as in the previous two parts, which received many international prizes, in the third part “Position among the Stars”, the maker shows us the underlying patterns of life in Indonesia. He presents that both literally and metaphorically with his revolutionary camera work. The Indonesian Sjamsuddin family is, in a way, a microcosm in which you can recognise the most important issues of life in Indonesia: corruption, conflict between religions, gambling addiction, the generation gap and the growing difference between poor and rich.“ (Dogwoof)

Über seine spezielle Kameraarbeit siehe den Artikel in der New York Times von John Anderson „A Master of Impossible Camera Angles“.


Dirty Little Billy – ein Western im Schlamm

16. Mai 2012

Dirty Little Billy is a different kind of movie. It’s not about the Billy The Kid you’ve known and loved. It’s about the real William H Bonney. And the real William H Bonney was a loser. Dirty Little Billy is the end of his legend“ So warb Jack L. Warner für seine letzte Produktion. Er hatte Warner Brothers verlassen und brachte den Film 1972 bei Columbia Pictures heraus. Immerhin blieb er mit diesem Film der Warner-Tradition treu:

„Der Warner-Stil vermengt Pulp Fiction, Alltag, Romanze und eine Andeutung harscher „Dokumentaristik“ zur unverwechselbaren Trademark. Was es über das schmutzige, harte Amerika jener Zeit im Kino zu sagen gibt – es stammt von Warner Bros…“ (H.T. Filmmuseum Wien)

Stan Dragotis Antiwestern (Kritik) bildet das Gegenstück zur üblichen Verklärung der historischen Figur im Film und grenzt sich von zeittypischen Produktionen wie McCabe & Mrs. Miller  (1971) ab. „Dirty Little Billy“ ist vor allem in seiner materiellen Erscheinungsform ein heftiger Film.  Sam Peckinpahs Version wurde ein Jahr später aufgeführt, damals allerdings noch in einer verstümmelten Fassung.

Dirty Little Billy sollte man sich nicht entgehen lassen. Er ist als MOD-Version auf DVD-R in den USA erhältlich, immerhin „newly remastered“.


De Engel van Doel auf DVD

5. Mai 2012

In den Niederlanden ist Tom Faesserts Schwarzweiß-Dokumentation „De Engel van Doel“ auf DVD erschienen. Der Film war 2011 eine der herausragenden Produktionen auf dem Forum des jungen Films der Berlinale.

Die Langzeitdokumentation begleitet die letzten hartnäckigen Bewohner des Dorfes Doel, das für die Erweiterung des Hafens von Antwerpen abgerissen werden soll. Der Film zeigt, wie die Zeit vergeht und die alten Bewohner an ihrem Leben (und ihren Erinnerungen) mit großem Gleichmut festhalten. Das Schwarzweiß und Faesserts Kameraarbeit entrücken sie dabei einer unmittelbaren (banalen) Alltäglichkeit.

„“Einer der ersten Menschen, die ich in Doel traf, war der alte Dorfpriester Verstraete. Obwohl er unheilbar krank war, hielt er die wöchentlichen Gottesdienste ab und besuchte täglich seine Gemeindemitglieder. Er tat alles, um die schrumpfende Gemeinde in den unsicheren Zeiten zusammenzuhalten. Mich faszinierte der Zusammenhang zwischen seinem persönlichen Überlebenskampf und seinen Anstrengungen um das Fortbestehen seines Dorfes. Da der Priester die Medien mied, nahm ich mir viel Zeit, um eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm aufzubauen.

Der Küchentisch von Emilienne

Einige Monate später lernte ich die ältere, verwitwete Emilienne kennen, die Hauptfigur im Film. Schon während unserer ersten Begegnung gefiel mit ihre Spontaneität und Ehrlichkeit. Abgesehen davon war mir aufgefallen, dass ihr Küchentisch eine wichtige Rolle im Alltag von Doel spielte: Ihre Nachbarn und der Dorfpfarrer kamen regelmäßig zu Besuch, um an Emiliennes Küchentisch ernste Gespräch zu führen oder ein wenig zu tratschen. Dieser Küchentisch sollte der zentrale Drehort des Films werden…

Insgesamt sechs Jahre dauerten die Dreharbeiten und der Schnitt. In dieser Zeit sich in Doel vieles verändert: Das Dorf ist zum Teil abgerissen worden, der Priester gestorben, die Gemeinde hat sich weiter zerstreut, und die übrige Welt hat scheinbar jedes Interesse am Schicksal dieses Ortes verloren. Aber Doel lebt, genau wie Emilienne.“ (Tom Faessert in: Berlinale Forum 2011, S. 63)

Die DVD ist englisch untertitelt und in den Niederlanden überall im Handel erhältlich, z. B. direkt beim Vertrieb Filmfreaks oder bei Bol.com.


Cinema 16. Zum Tod von Amos Vogel

4. Mai 2012

Mit Amos Vogel ist einer der bedeutendsten Kinomacher gestorben. Auf das besondere Format dieses Mannes hatten wir hier schon hingewiesen.

„The leading figure of modern American film culture, a rebellious champion of independent and international cinema and the co-founder of the New York Film Festival, Amos Vogel died yesterday in New York, the city where – in 1947 – he created the landmark film society Cinema 16.“ (Film Society of Lincoln Center / Quelle: Cargo)

Wer seine praktische Arbeit mit dem Cinema 16 näher kennnenlernen möchte, dem sei das Buch von Scott MacDonald „Cinema 16 – Documents Toward a History of  the Film Society“ mit einer Fülle von Dokumenten, vor allem Filmprogrammen, empfohlen. Die Einführung zeigt, wie lohnend die Lektüre sein wird.

Scott MacDonald hat Amos Vogel zu Leben und Arbeit mit dem Cinema 16 auch  interviewt. Über seine Flucht aus Wien hat Amos Vogel im Band 13 der Videoreihe „Aufbruch ins Ungewisse : Österreichische Filmschaffende in der Emigration vor 1945“ (VHS 60 Min., Viennale 1993) Auskunft gegeben. Seine Erfahrungen als Jugendlicher in Wien waren eine Grundlage seiner späteren Kinoarbeit.


Danke für den Haarschnitt: Ein Kinoabend in Hollywood mit „Caged“ und „Big House USA“

3. Mai 2012

In der FAZ von heute berichtet Verena Lueken von einem Abend in der American Cinemathèque in Los Angeles.

„Das aktuelle Kinoprogramm in Hollywood hatte nicht viel zu bieten dieser Tage. Deshalb schauten wir bei der American Cinemathèque vorbei, die seit einiger Zeit im alten Egyptian Theatre am Hollywood Boulevard Quartier bezogen hat. Es ist ein heruntergekommener Straßenblock, an dem das einst berühmte Kino liegt.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.05.2012, Nr. 103, S. 29 – nicht im Web)

Geboten wurde ein Double Feature mit John Cromwells „Caged“ aus dem Jahr 1950 sowie von 1955 „Big House U.S.A.“ von Howard W. Koch. Eindrücklich beschreibt Verena Lueken die Reaktionen der versammelten Fangemeinde des Film Noir:

„… der Moderator will noch sichergehen, dass der folgende Film „Caged“ keinesfalls, was der Serientitel nahe legen könnte, in die Rubrik Camp gehöre [wie er als DVD vermarktet wurde – siehe Cover unten], und dann geht es endlich los, unter dem Beifall der Zuschauer, die schon im Vorspann jedem Namen applaudieren. So wie in den späten Siebzigern bei der „Rocky Horror Picture Show“…

Tatsächlich geht es zwar um „Babes behind bars“ (Mädels hinter Gittern), aber Cromwells Film ist ohne jede Anzüglichkeit, unsentimental, fast dokumentarisch in seiner Schilderung von Korruption, Sadismus und dem Scheitern aller Reformbemühungen in dem Frauengefängnis, in dem er spielt.

Die Leute, die an diesem Abend gekommen sind, müssen den Film viele Male gesehen haben. Sie kennen jede Wendung, jede Dialogzeile, aber sie japsen immer noch vor Schreck, wenn Eleanor Parker von Hope Emerson der Kopf geschoren und sie in Einzelhaft gesteckt wird. Doch mit der Hauptdarstellerin wird auch das Publikum härter. „Thanks for the haircut“, flüstern fünfzig Stimmen, als Eleanor Parker sich mit diesem Satz aus dem Gefängnis verabschiedet, und man würde sich nicht wundern, stiegen diese fünfzig nach der Vorstellung wie die einst Naive zu ein paar Kleinkriminellen ins Auto, um auf Diebestour zu gehen.

Doch alle bleiben für „Big House U.S.A.“ sitzen. Der Moderator hatte ihn als den „brutalsten Film der Fünfziger“ angepriesen…““ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.05.2012, Nr. 103, S. 29 – nicht im Web)

 

Beide Filme sind in den USA als DVD erhältlich. „Caged“ ist zwar vergriffen, aber über diverse Shops oder in der Box „Cult Camp Classics 2“ von Warner noch lieferbar.

„Big House U.S.A.“ ist unter dem MGM-Label bei Warner Archive als MOD-Version auf DVD-R erschienen, lieferbar über amazon.com. Allerdings ist diese Fassung mangelhaft, da das falsche Format gewählt wurde, open matte statt 1,75:1, wie der Film eigentlich vorgeführt werden sollte. Damit geht die Cadrage des Kameramanns verloren.