Soderbergh zum Formatekrieg

20. August 2009

Die Slasher sind wieder unterwegs. Sie beschneiden Filmbilder und zerstören hemmungslos die Cadrage. In der neuesten Ausgabe des Magazins der Directors‘ Guild of America DGA Quaterly setzt sich Steven Soderbergh mit der Praxis  auseinander, Filme im Format 2,40:1 an das Fernsehformat 16:9 anzupassen. Brechen die „Format Wars“ wieder aus?

Bereits zu Zeiten der VHS-Kassette hatte Martin Scorsese eine Kampagne für die korrekte Wiedergabe des orignalen Filmformats im Fernsehen und auf Video geführt, damit die Bildgestaltung von Kameramann und Regisseur für den Zuschauer erhalten bleibt. Danach  verlangten immerhin mehr Filmliebhaber das Widescreenformat. Erst mit der DVD wurde das originale Filmformat zum Standard. Das berüchtigte Pan Scan-Verfahren ist seitdem geächtet. Warum das so wichtig ist, erklärt Martin Scorsese in diesem Video auf DVDuell.

Trotz der Verbreitung des 16:9-Formats bleibt aber offenbar immer noch ein Filmformat Opfer der Sucht, den Bildschirm restlos zu füllen:

„For half a century filmmakers have watched, helplessly, as their films were recomposed for the 4:3 format of television. A fortunate few were able to prevent their works from being altered, and the birth of channels like TCM, IFC, and Sundance provided a small, safe haven for old and new films alike, but the general rule was everything got its limbs severed to fit into the box.

Like many format fiends, I saw the advent of hi-def broadcast TV as the Holy Grail. Finally, the larger screens, greater detail, and more film-friendly 16:9 ratio would mean all films could live on forever with their extremities intact. Meet Steven Soderbergh, the DGA’s reigning Pollyanna.

Since the 16:9 image is now the shape of television, only one format remains to distinguish television from the movies: the 2.40:1 aspect ratio. Because of that, I now believe shape matters more than size, and I say that knowing full well the number of jokes I just unleashed…

In fact, you might agree with my assessment that, ironically, the letterboxed 2.40 ratio actually makes the world of the movie look bigger.

Shape matters. Spread the word.“  (Steven Soderbergh: „In my Opinion: Format Wars“)


The Big Trail in Fox Grandeur

13. Mai 2008

Heute erscheint in den USA zum ersten Mal auf dem Home Video-Markt überhaupt die DVD-Edition „The Big Trail“ von Raoul Walsh als Breitwandfilm im Widescreen-Format Fox Grandeur, gedreht 1930 mit dem 24jährigen John Wayne in seiner ersten Hauptrolle (Wikipedia).

Dieses 70mm-Format, eingeführt zu Beginn der Tonfilmära, war ein früher Vorläufer der Breitwandsysteme der 50er Jahre (siehe American Cinematographer, Februar 1930). Damals gab es nur wenige Filmtheater, die dieses Format abspielen konnten, wie Grauman’s Chinese Theater in Los Angeles und das Roxy Theater in New York. Deshalb wurde gleichzeitig eine zweite Fassung auf 35mm-Normalfilm gedreht. So hatte „The Big Trail“ denn auch zwei Kameramänner, Arthur Edeson für den 70mm-Film und Lucien N. Andriot für das 35mm-Format.

Die neue DVD-Ausgabe enthält beide Fassungen des Films, die Breitwandversion, die in den 80er Jahren vom Museum of Modern Art restauriert worden ist, und die kürzere 35mm-Version im Normalformat, die bereits 2003 auf DVD erschienen war. Eine Blu ray-Ausgabe, die sich in diesem Fall angeboten hätte, scheint nicht geplant zu sein. Mehr Informationen zu den Beigaben siehe DVD Talk. Dave Kehr heute in der New York Times

„Walsh makes maximum use of the width of the big screen, composing his shots so that the eye is led, as in classical painting, to pick out a series of details across the surface of the image. But he also uses the extremely high resolution of the 70-millimeter stock to create perspectives that draw the viewer from foreground details to action in the distant background, at times seemingly miles away. Nothing less is at stake here than the whole system of analytical editing within a scene, as developed by the directors of the 1910s; what Walsh is doing does not really find an equivalent until Jacques Tati’s 70-millimeter masterpiece of 1967, “Playtime.”

Greedy as I am, I lust to see the true 70-millimeter version presented in Blu-ray, but even in this shadow-of-a-shadow edition, “The Big Trail” is still astounding. (Dave Kehr)


Cannes Classics: Lola Montes

9. Mai 2008

Die Cannes Classics 2008 eröffnen in der nächsten Woche mit einer neu restaurierten Fassung von Max Ophüls letztem Werk „Lola Montès“. Nachdem von den drei Sprachfassungen des Films bereits 2002 die deutsche Version in einer Restaurierung des Münchner Filmmuseum von Stefan Drößler vorgestellt worden war, folgt nun die Restaurierung der französischen Version durch die Cinémathèque Française unter Aufsicht von Marcel Ophüls, dem Sohn des Regisseurs (Ob diese Restaurierung die Rückblendenstruktur der ersten französischen Schnittfassung, das originale Cinemascope-Format 2,55:1 und den 4-Kanal-Magnetton wiederherstellt, wird sich zeigen – siehe dazu Le Monde vom 23.5.2007: La lente resurrection de „Lola Montes“):

„Under the attentive eye of Marcel Ophuls, following the technical expertise of François Ede, and thanks to the technical innovations of the Technicolor Laboratory, the Cinémathèque Française has undertaken to restore Lola Montès, to its original editing, colours, sound and image format, thus offering this film cult the possibility of delighting new young audiences and seducing once again those the film has already long since conquered.“ (Festival de Cannes)

Eine DVD-Ausgabe wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen, vielleicht sogar in HD auf Blu ray. Die innovative Breitwand-Cadrage von Max Ophüls und Kameramann Christian Matras hätte es verdient. Der Wunsch nach einer Edition mit den beiden restaurierten Fassungen wird sich wohl nicht erfüllen. Als Stefan Drößler die deutsche Fassung 2002 in Cannes vorstellen wollte, erhob Marcel Ophüls dagegen Einspruch. Nun präsentiert er seine eigene Restaurierung:

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Last Emperor

11. Februar 2008

Ein neuer Höhepunkt der Criterion Collection : Bernardo Bertoluccis „Last Emperor“ liegt jetzt in einer so sorgfältig gemasterten Edition vor, wie es sie bisher noch nicht auf DVD gegeben hat. Diese Fassung wurde mit dem Knowhow von Criterion unter der Aufsicht des Kameramanns Vittorio Storaro erstellt.

Die Tests von Gary Tooze (DVDBeaver) zeigen den Unterschied: der Gelbstich (China!) bisher erhältlicher Ausgaben ist verschwunden und das Bild Storaros erstrahlt in nüchterner Schönheit:

„The package is busting with Criterion’s extensive and passionate attention to detail and is a wonderful addition to any DVD library. The film has never looked better on digital in my opinion and it is loaded with valuable insights into the production, the story, and Bertolucci himself. A grand achievement of a film supported by a grand achievement of a DVD package. Strongly recommended!“ (Gary Tooze)

Die 4 Disc-Edition mit ihrer Fülle von Beigaben erlaubt eine intensive Beschäftigung mit der Produktion und Gestaltung des Films. Sie ist ab 26.2.2008 erhältlich. Anmerkung: Wäre dies nicht eine Gelegenheit für eine Blu ray-Ausgabe gewesen?

Der Film selbst liegt in 2 Fassungen vor, der Kinoversion mit 164 Min. und der Fernsehfassung mit 218 Min. (zu den Details siehe im Criterion-Blog On Five „Final Cut“).

Beide haben das Format 2:1, d.h. das von Vittorio Storaro vorgeschlagene Universalformat Univisium (Hinweis von Casey Pegram in der DVDBeaver-Liste). Zu dieser entscheidenden Frage der Cadrage (siehe hier) gibt es eine interessante Kritik am Univisium-Bildseitenverhältnis von Simon Howson in der DVDBeaver-Liste:

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Ten Canoes

23. November 2007

“ Ten Canoes“ ( 10 Kanus, 150 Speere und 3 Frauen) von Rolf de Heer ist ein anthropologischer Spielfilm und gleichzeitig fulminates Kino:

„Während der Jagd einer Sippe australischer Ureinwohner nach Enteneiern wird offenbar, dass der Jüngste in der Gruppe die dritte Frau seines älteren Bruders begehrt. Der reagiert mit Gelassenheit und beginnt dem Jungen eine ähnlich gelagerte Geschichte aus der Vorzeit der Aborigines zu erzählen, die mit tragischen Verwechslungen, Rache und Tod endete. Ein ebenso poetisches wie bildgewaltiges Drama, das ganz aus dem Blickwinkel der australischen Ureinwohner erzählt wird, was auch die Tatsache erklärt, dass Dinge des täglichen (Über-)Lebens gleichberechtigt neben der archaischen Liebesmetapher stehen. Der zeitlose Film von der Wucht eines shakespeareschen Dramas entstand unter Mitwirkung von Aborigines und schafft es mit viel Humor, deren Denk- und Wertesystem näher zu bringen. – Sehenswert ab 14.“ (Lexikon des internationalen Films) (Kritik)

Die DVD ist in Großbritannien und den USA lieferbar. Beide Ausgaben enthalten auch die 50minütige Dokumentation “The Balanda and the Bark Canoes” über die Dreharbeiten mit den Aborigines, allerdings ist die Bildqualität der US-Disc offenbar nicht optimal. In Australien ist eine Special Edition mit 2 Discs (Reginalcode 0) ohne die genannte Dokumentation mit anderem Zusatzmaterial erschienen (Rezension).

Alle DVD-Ausgaben haben ein anderes Bildseitenverhältnis (1,78:1) als die Kinokopie (2,35:1), vermutlich also einen Open Matte-Transfer vom Super 35-Negativ (siehe unter „The DVD“ hier und unter „Video“ hier). Der Film liegt in zwei Tonfassungen vor: Die Kinoversion hat einen englischen Kommentar von David Gulpilil zum Film in Originalfassung mit englischen Untertiteln. Die DVD-Ausgaben bieten dazu noch eine authentische Fassung in der Sprache der Aborigines ohne Kommentar mit englischen Untertiteln. Nur die australische Ausgabe hat für beide Versionen einen Dolby Digital 5.1-Ton.

Nachtrag vom 28.11.2007: Paolo Cherchi Usai, der neue Leiter des National Screen and Sound Archive in Australien, hat beim Regisseur selbst nachgefragt. Hier die Antwort von Rolf de Heer aus der Liste AMIA-L, die die Gründe für die verschiedenen Formate aufklärt:

„The cinema version of ‚Ten Canoes‘ is indeed 2.35:1, but when we came to making the video masters, we had a good think and a good experiment and decided that DVD is a different medium than cinema, and therefore ought to be treated independently…we were not trying to replicate the cinema experience at home (which one can’t), so let’s work out how to give the best DVD experience, let’s deal with DVD as a delivery medium in its own right. Ultimately that meant going full frame rather than letterboxing, allowing the viewer to become more deeply connected with the image on screen.“

„We did shoot on Super-35, giving us access to more image, but it was not simply an open-matte transfer. Each shot was re-considered and individually positioned and cropped from the available increased image to give the best possible composition at the new ratio. It cost a fair bit more to do, but has its own artistic integrity as a consequence“. (Rolf de Heer, zitiert in AMIA-L)