DVD: Der Mann, der die Welt rettete – The Man Who Saved The World

4. August 2015

Heute Abend zeigt Arte den dänischen Dokumentarfilm „Der Mann, der die Welt rettete“ (The Man Who Saved The World) über Stanislav Petrov, einen sowjetischen Soldaten, der in der Nacht des 26. September1983 um 0.15 Uhr nach einem vermeintlichen Atomangriff der USA in seinem geheimen Bunker Serpukhov-15 in einem Wald südlich von Moskau nicht auf den roten Knopf für den Gegenangriff drückte und damit die Menschheit auf der Nordhalbkugel vor dem Untergang rettete.

Dieser Vorfall wurde erstmals öffentlich bekannt durch die Memoiren des Generaloberst Yuriy Vsyevolodich Votintsev, die 1998 erschienen. 2006 wurde Stanislav Petrov durch die UNO geehrt. Seitdem arbeitete der Däne Peter Anthony an seinem ersten langen Dokumentarfilm, der mit seinen Spielszenen eigentlich ein Hybrid ist.  Im Mittelpunkt steht die Persönlichkeit eines scheinbar unscheinbaren Mannes, der seinen menschlichen Instinkten folgte, folglich unprofessionell im militärischen Sinne handelte und damit im eigentlichen Sinne der Vernunft folgte.

Als besonderen Fernsehzuschauer wünschen wir uns heute Nacht einen damals verantwortlichen Politiker, der als Bundeskanzler den NATO-Doppelbeschluss maßgeblich initiiert hatte, Helmut Schmidt. Durch die Aufstellung der Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper im Dezember 1983, also wenige Monate nach dem Vorfall in Moskau, wurden die Vorwarnzeiten für einen Atomschlag in Europa extrem verringert und die Gefahr, die Petrov eigenmächtig verhindert hatte, noch einmal vergrößert. Aber wahrscheinlich wird Helmut Schmidt um 22.50 Uhr schon im Bett liegen. Ob er daran denkt, dass er ohne Stanislav Petrovs Tat vielleicht schon 1983 wie wir alle im nuklearen Armageddon verdunstet wäre, wie es uns erst jüngst wieder die Berichte aus Hiroshima und Nagasaki *) vor Augen geführt haben?

*) hier vor allem die herausragende Dokumentation von Lucy Van Beek „Countdown in ein neues Zeitlater: Hiroshima“ (Orig.: Hiroshima: The Aftermath, GB 2014) des Top-Produzenten gründlicher historischer Dokumentationen Brian Lapping (heute Brook Lapping).

Stanislav Petrov ist heute ein unglücklicher Mann, denn seine geliebte Frau Raia lebt nicht mehr. Sie starb an Krebs.

Der Film von Peter Anthony ist in Großbritannien als DVD erschienen.

Nach dem Film: Schon die lustig-launige Anmoderation der Arte-Sprecherin bereitet angemessen auf das folgende Produkt vor.  Peter Anthony hat seinem Plot nicht vertraut und einen durchgehend inszenierten Film hergestellt, wobei er allein die internationale Verwertung im Blick hatte.

Zusammengesetzt aus den Versatzstücken mehrerer Spielfilmgenres hat er seinem Film jede Authentizität ausgetrieben. Besessen von dem Drang nach Verkäuflichkeit seines Medienprodukts hat er seinen Protagonisten mißbraucht – eine Geisel in der Hand des Regisseurs, die in der eigenen Geschichte mitspielen muss. Peter Anthony schleppt ihn wie ein Faktotum durch den Film und zeigt ihn bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit her, um seinem Film Bedeutung zu verleihen. Die aufgeschriebenen, phrasenhaften Dialoge, die Musik und die doppelt und dreifachen Erklärungen des Immergleichen weisen den Film als Kitschprodukt aus, das dem Publikum keinen eigenen Gedanken zutraut und ihm dafür auch keinen Raum läßt. Zu seinen Zuschauern hat Peter Anthony diesselbe Haltung wie zum Protagonisten seines Films.

Der Film steht in der Arte Mediathek noch bis zum 11.8.2015 zur Verfügung.


John Hughes über Walter Benjamin

14. August 2009

Vor einer Woche ist John Hughes im Alter von erst 59 Jahren gestorben. Christian Liemke hat in seinem Blog DVDuell einige Verweise zu diesem Regisseur zusammengetragen, der in seinen Teenager-Filmen der Jugendkultur der achtziger Jahre Ausdruck verliehen hat.

Dies ist vielleicht eine Gelegenheit, auf ein weniger bekanntes Werk von John Hughes mit einem erstaunlichen Thema hinzuweisen, den Filmessay „One Way Street“ (Einbahnstraße) über Leben, Werk und Schicksal Walter Benjamins :

„ONE WAY STREET explores the life and work of German Jewish critic and philosopher, Walter Benjamin, who died escaping the Gestapo in 1940. Although Benjamin’s work is little known in this country, he is regarded in Europe as one of the most influential figures in 20th Century thought.

ONE WAY STREET provides clear and accessible introductions to some of the central ideas in Benjamin’s writings. Expert commentary from a range of English scholars situate Benjamin’s work in the context of their time and evoke a sense of the excitement that his work has generated. A heightened visual style, montage structure and strong musical treatments correspond in evocative and powerful ways with the concerns and the strategies of Benjamin himself.“ (Ronin Films)

Die DVD ist in Australien bei dem renommierten Vertrieb Ronin Films erschienen.

Susanna Scarparo hat eine Kritik zu diesem Film geschrieben. Sie zitiert John Hughes „history brakes down into images, not into stories“ und schlussfolgert: „… it breaks into dialectical images, into fragments of the dreams of the past.“ So hat der Regisseur denn auch seinen Film angelegt:

„The character „Benjamin“, as a human being and as a philosopher, is portrayed through many different media and voices. „Benjamin“ is played by one male and two female actors, and one of the two female actors also plays Asja, shows us photographs of him and talks about him. In addition, Benjamin’s philosophical argument is presented by means of written quotations, and by four experts talking about him and his writings. Moreover, we also, presumably, see his „real“ image through several photographs of himself and his family. Thus, Benjamin himself, as well as his „history“ are fragmented into images, not into stories.“ (Susanna Scarparo: „An Analysis of the Video One Way Street and of Walter Benjamin’s Dialectical Thinking“)

Nachtrag vom 15.8.2009: Kein Wunder, dass „One Way Street“ ein „weniger bekanntes Werk des verstorbenen Regisseurs John Hughes“ ist – besser gesagt, es ist völlig unbekannt, denn es exisitiert gar nicht in seinem Werkverzeichnis. Robert Fischer hat ganz zurecht auf den entscheidenden Fehler hingewiesen: Der Film über Walter Benjamin stammt von John Hughes, einem australischen Dokumentarfilmer:

John Hughes and Cindy Clarkson packings DVDs („Time to Go, John“)

Es ist interessant, diesen Dokumentaristen kennenzulernen. Er hat sich z. B. an dem Omnibusfilm „Time to Go, John“ beteiligt, der Teil einer Kampagne australischer Filmemacher gegen den dortigen Premierminister John Howard war. Howard verlor schließlich die Wahlen von 2007 und musste sein Regierungsamt aufgeben. Ungewöhnlich war die Vertriebskampagne für den Film, die im wesentlichen auf dem Versand von DVDs basierte:

“ As well as the production of the film itself the team of filmmakers also had to work out how to self-distribute the film nationally as well as trying to get it screening in marginal seats. The response from many cinemas was positive and a national premiere secured. In addition, a strategy was devised to get the film circulated through special “house-party” screenings, hosted by individuals in their homes or at local social clubs. With the motivation of reaching the widest audience possible it was also decided that the films should be available for viewing online.
All of this had to be done in seven weeks and with absolutely no budget, not a cent. With so many things to organise in such a short time fame many may have shied from the challenge but the collective felt it would have been “un-Australian” not to attempt to achieve a goal they all felt so compelled by.

Time To Go John is a result of the commitment and passion of the people who contributed to the production of this film. Thank you to the people involved, to all Aussie battlers dedicated to a better future. Well done for dreaming up Time To Go John and delivering as promised. The film is dedicated to all the people across Australia who dared to stand up and be counted.“ (Website „Time to Go, John“)


Absolute Wilson

5. Oktober 2007

„Absolute Wilson“, der Film von Katharina Otto-Bernstein ist auch auf DVD lieferbar. Die Regisseurin hat einen einfachen, klaren Interviewfilm gedreht, so dass die Fülle des Materials über den Regisseur umso mehr besticht. Neben Wilson selbst, der viel über seine Person offenbart, sprechen Weggefährten wie der Musiker David Byrne, die Publizistin Susan Sontag, der Komponist Philip Glass, die Opernsängerin Jessye Norman, der ehemalige Intendant der Pariser Oper Charles Fabius, und andere. Felicitas Kleiner schrieb dazu im Film-Dienst:

Fragen oder Kommentare der Regisseurin bleiben außen vor; Wilson und seine Kunst sprechen für sich. Nur die Montage deutet vorsichtig Zusammenhänge zwischen Leben und Werk an, wenn Otto-Bernstein für bestimmte biografische Einflüsse, die Wilson im Interview erwähnt, Beispiele für deren Ausprägung in einzelnen Produktionen sucht. Trotz oder gerade wegen dieser konventionellen Erzählweise ist der Hamburger Filmemacherin ein fantastisches Künstlerporträt gelungen, in dem sich an keiner Stelle formale Mätzchen zwischen den Zuschauer und das Objekt des Interesses schieben.“ (Felicitas Kleiner, Film-Dienst)

Lieferbar bei Zweitausendeins oder ab 14.12. im allgemeinen Handel. Die Ausgabe mit 2 DVDs enthält über 3 Stunden Bonusmaterial, u.a. auch Dokumentationen über seine Inszenierungen.


Bantsuma: Bando Tsumasaburo no Shogai

26. Juni 2007

David Bordwell empfiehlt in seinem Blog unter der Überschrift Bando on the Run den Film „Bantsuma: Bando Tsumasaburo no Shogai (Bantsuma: The Life of Tsumasaburo Bando) über das Leben des 1953 gestorbenen Schauspielers:

Bantsuma: The Life of Tsumasaburo Bando“ is obligatory viewing for everyone interested in Japanese cinema… Not only does it handily trace Bando’s remarkable career through stills, interviews, and surviving footage. It also supports something I’ve tried to show for some time: that the Japanese action cinema of the 1920s and 1930s was one of the most powerful and creative trends in world filmmaking.“

Die DVD ist bei Digital Meme in Japan erschienen (über Digital Meme).


Kon Ichikawa Story

23. Mai 2007

Die im letzten Dezember aufgeführte Dokumentation von Shunji Iwai über den großen Regisseur des japanischen Films Kon Ichikawa erscheint im Juni in Japan auf DVD. Ichikawa Kon monogatari (The Kon Ichikawa Story)

„… marks the rare marriage of two of Japan’s most interesting and celebrated filmmakers in one feature film. In 2006 while Ichikawa was shooting Murder of the Inugami Clan, a remake of his epic classic The Inugami Family, Iwai was shooting The Kon Ichikawa Story. Simply speaking, the documentary tells the life story of the master director from birth to present, but this being an Iwai Shunji film, the presentation differs from a conventional documentary. Using text, photographs, clips, and interviews from the movie set, Iwai weaves a revealing and arresting profile of a man who has lived through a century of changes, and helped shape the face of modern Japanese cinema.“ (Yes Asia)

Die Doppel-DVD mit zahlreichen zusätzlichen Interviews kann in Japan bei cdjapan oder in den USA bei Yes Asia bestellt werden.


In Memoriam Alexander Litvinenko

3. Mai 2007

The Cinema Guild in New York hat gestern angekündigt, dass der politisch brisante Film „In Memoriam Alexander Litvinenko“ von Masha Novikova und Jos de Putter ( Het is een schone dag geweest, 1993) auf DVD erschienen ist. Der Film wurde im Januar 2007 vom niederländischen Fernsehsender VPRO in der Reihe Backlight ausgestrahlt und danach auf zahlreichen Dokumentarfilmfestivals aufgeführt (Nyon, Chicago, Toronto).

Die Basis bildet ein Interview, das Jos de Putter 2004 mit Litvinenko geführt hat:

“ Dutch television has shown the premiere of the film In Memoriam: Aleksander Litvinenko, by directors Masha Novikova and Jos de Putter. The film contains a unique interview with Litvinenko shot by the Dutch film-makers two years ago. The film was broadcast in prime time on the second state channel of Netherlands TV, at 9pm on Monday. The authors compiled it from video recordings they made in Litvinenko’s London apartment in 2004, in Moscow with Anna Politkovskaya, and there are also new interviews with Litvinenko’s father, Walter, and Litvinenko’s friends Akhmed Zakayev and Vladimir Bukovsky.“ (Übersetzung von dieser russischen Site).

„Jos de Putter filmed Litvinenko in his own home. And when Anna Politkovskaya was murdered, and Litvinenko fell ill, we thought that… When he brought the films to me that day, I examined them, and it turned out that it was unique material. Because this is him at home, is rather intimate. He sits there, watching pictures of himself being arrested in the courtroom, and comments on it all. It was somehow very moving, especially after his death, to see it all again…“ (Masha Novikova)

Ein Interview von Facets-Gründer Milos Stehlik mit Jos de Putter anlässlich des Dokumentarfilmfestivals bietet Chicago Public Radio.


Mitsuharu Inoue

28. April 2007

Facets in Chicago kündigt für Juni den Dokumentarfilm „A Dedicated Life“ (Zenshin shosetsuka, 1994) von Kazuo Hara über den japanischen Schriftsteller Mitsuharu Inoue an. Mit diesem Film treffen zwei ungewöhnliche Persönlichkeiten aufeinander: Der Filmemacher Kazuo Hara, bekannt für seine kontroversen Sujets (“I make bitter films. I hate mainstream society”), und Mitsuharu Inoue, der kommunistische Schriftsteller, den Hara zehn Jahre dabei begleitet, wie er im Kampf gegen den Leberkrebs sein Leben lebt.

„A Dedicated Life“ is both a tribute to the work of the controversial Japanese writer Mitsuharu Inoue and a study of his death from cancer. Despite its length, Kazuo Hara’s intimate study of a likable and courageous man is riveting viewing, and, in the end, extremely moving… Hara’s unflinching study of a dying man brings fresh insight into the human condition. It’s a demanding, but most impressive, film portrait.“ (David Stratton, Variety 1995)

Drei weitere Filme von Kazuo Hara sind ebenfalls in diesem Jahr bei Facets erschienen.


Weizenbaum. Rebel at Work.

18. April 2007

Der Dokumentarfilm „Weizenbaum. Rebel at Work“ hat den renommierten Wolfgang von Kempelen Preis 2007 für die künstlerische und mediale Vermittlung der Informatikgeschichte erhalten. Bei der feierlichen Zeremonie an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt/Österreich wurden Silvia Holzinger und Peter Haas mit dem nur alle 2 Jahre vergebenen Preis ausgezeichnet. Der erste Langfilm der kleinen Produktionsfirma Il Mare ist ein Porträt des Wissenschaftsrebellen Joseph Weizenbaum.

„In klugen und stellenweise auch sehr amüsanten Gesprächen schildert er sein Leben: die Jugend im Berlin, die Flucht aus Deutschland, den Neubeginn in den USA und die Rückkehr in seine Heimatstadt. (…) Wir würden uns mehr Filme wie WEIZENBAUM. REBEL AT WORK. wünschen.“ (Monika Kaczek, Jüdische Filmwoche Wien)

Der Film kann bei Il Mare direkt als DVD bestellt werden.